Vorzeigeprojekt ist ein Tropfen auf den heißen Stein

Trudering · Betreuungsnotstand

Mit den Kindern der Vorschulgruppe freuen sich über die neue Einrichtung (v. l.): Irena Klumpen, Beatrix Zurek, Max Heilmeier, Dr. Georg Kronawitter,  Detlef Langer, Christine Kaiser und Regina Haupt. Foto: Kohnke

Mit den Kindern der Vorschulgruppe freuen sich über die neue Einrichtung (v. l.): Irena Klumpen, Beatrix Zurek, Max Heilmeier, Dr. Georg Kronawitter, Detlef Langer, Christine Kaiser und Regina Haupt. Foto: Kohnke

Trudering · »Türen und Fenster bitte geschlossen lassen!« Eine eher ungewöhnliche Vorgabe für einen Ort, an dem sich tagtäglich 100 Kinder aufhalten. Und dennoch, im Kindergarten (Kiga) Marianne-Plehn-Straße 69 ist dies oberstes Gebot. Denn das auffällige, geradlinige Gebäude ist in Passivhausbauweise erbaut – und wurde jetzt offiziell seiner Bestimmung übergeben.

Wohin mit dem Nachwuchs?

»Außen in strahlendem Blau gehalten, innen lichtdurchflutet: Hier sollen Kinder ihren ersten Weg in die Welt gehen«. Mit diesen Worten übernahm Detlef Langer, Leitender Baudirektor der Stadt München, die vergnügliche Pflicht und übergab die Einrichtung offiziell »vom Bau in den Betrieb«. Gekommen waren als Ehrengäste auch Stadträtin Beatrix Zurek (SPD) in Vertretung des Oberbürgermeisters sowie Verwaltungsdirektor Max Heilmeier für Stadtschulrätin Elisabeth Weiß-Söllner, die terminlich verhindert war. Regina Haupt, die Leiterin der städtischen Einrichtung, hatte einen kleinen Festakt organisiert. Für sie und ihre Mitarbeiterinnen regiert hier bereits der Alltag: Seit September 2008 ist das rund 2,1 Millionen teure Vorzeigeprojekt schon in Betrieb.

»Wir wollen von diesem kompakten, hochwärmegedämmten Gebäude lernen, es ist ein Versuchsobjekt«, erläuterte Langer. Die im Haus entstehende Wärme werde gleichsam zur Versorgung des Gebäudes genutzt. Der Kindergarten käme nahezu ohne Heizung aus und benötige nur rund 1,5 Liter Öl pro Quadratmeter im Jahr. »Wenn die Kinder spielen, tun sie etwas für die Energieversorgung ihrer Kita«, erzählt Regina Haupt. Bei aller Freude über Einrichtung und Kostenersparnis hat die Pädagogin aber nicht diejenigen Kinder vergessen, denen sie eines nicht gewähren konnte: einen festen Platz darin. »Mehr als 30 Kinder stehen allein bei uns auf der Warteliste«, so Regine Haupt. 50 Jungen und Mädchen seien zudem aus der alten Einrichtung in der Forellenstraße übernommen worden. »So beträgt der Nettozuwachs für Trudering nur 50 Plätze durch diesen Kiga«, rechnete schließlich Max Heilmeier auf. Der Verwaltungsdirektor kurz: »Trudering ist ein Problembereich, das wissen wir im Schulreferat«. Hier entstehe ein rasch wachsendes Siedlungsgebiet, während man anderenorts einen eher schleichenden Bevölkerungszuwachs verzeichne. »Die Plätze sind nicht ausreichend, auch im Hortbereich«. Verschärfung erfährt diese Entwicklung noch durch die um ein Jahr auf 2010 verzögerte Fertigstellung der Einrichtungen in der Karpfenstraße (zwei Krippen- sowie zwei Kiga-Gruppen) sowie in der Evereststraße (zwei Kiga- sowie eine Hortgruppe). »Als Mutter von drei Kindern weiß ich, wie wichtig eine verlässliche Kinderbetreuung ist«, betonte Stadträtin Beatrix Zurek.

Während an manchen Orten Einrichtungen schließen müssten, hinke man hier aufgrund des rasanten Geburtenanstiegs hinterher. Der Versorgungsgrad an Kiga-Plätzen liege hier bei 79 Prozent, die 95-prozentige Versorgung sei aber bis 2011 geplant. Zum Vergleich: gesamtstädtisch sind es 82 Prozent, angestrebt sind im gleichen Zeitraum 90 Prozent. »Wir wollen das Problem lösen, beispielsweise auch durch die städtische Förderung von eigens gegründeten Eltern-Kind-Initiativen«. Man wolle tun, was nötig sei. Insgesamt sollen bis 2012 in München noch 5000 Kiga-Plätze entstehen.

Trotzdem sind noch immer viele Eltern aus Trudering und der Messestadt verärgert über unzureichende Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder – sei es in der Krippe, im Kindergarten oder im Hort. Viele Mütter und Väter wenden sich in ihrer Not an den zuständigen Bezirksausschuss (BA) Trudering-Riem.

»Das Schulreferat hat mir auf Anfrage noch immer keine aktuellen Vormerkzahlen bekanntgegeben, aber es gibt hier seit Jahren definitiv zu wenig Plätze«, bestätigt die BA-Vorsitzende Dr. Stephanie Hentschel (CSU). Auch auf der jüngsten Sitzung des Ausschusses waren wieder betroffene Eltern zugegen, um ihrem Anliegen Gehör zu verschaffen, darunter eine Mutter, die stellvertretend für viele Familien sprach: »Bitte setzen Sie sich für mehr Hortplätze an der Grundschule Lehrer-Götz-Weg ein!«.

Das Angebot an Plätzen für den Sprengel bliebe stark hinter der Nachfrage zurück. Sie und weitere Eltern hätten nur Absagen bekommen, mehr als 30 ermittelte Kinder bräuchten aber einen Platz. »Eine Erweiterung des besagten Horts um eine Gruppe ist ja bereits für 2012 geplant, kann der Ausbau nicht vorgezogen werden?«, so ihre dringende Anfrage. Alternativ könne doch ein Klassenzimmer oder eine Container-Lösung gefunden werden. Hentschel sagte hier volle Unterstützung zu: »Wir werden den Antrag weiterleiten und anfragen, ob es nicht Ersatzräume gäbe, wie etwa im alten Truderinger Rathaus«.

»Organisieren Sie sich und machen Sie Druck. Bringen Sie alle Mütter zusammen«, so der Rat von Herbert Danner, Fraktionssprecher Bündnis 90/Die Grünen. Das machten sie bereits, entgegnete die engagierte Mutter, sie wären ja bei der Demo kürzlich auf dem Marienplatz dabei gewesen – es hätte nicht viel genützt. »Wir werden wohl als Notlösung selber eine Mittagsbetreuungsgruppe gründen müssen, uns läuft die Zeit davon.«

Dies ist kein Einzelfall. Viele Anfragen betroffener Eltern, etwa der Astrid-Lindgren-Schule oder der Grundschule Forellenstraße, liegen dem BA vor. Dessen Forderung ist schnell formuliert: Die Kindergarten- und Hortunterversorgung im Bereich der Bajuwarenstraße muss rasch beendet werden.

Einige Anträge und Lösungsvorschläge sind in Arbeit: »Auf Initiative der CSU bitten wir das Schulreferat zu prüfen, ob an der Unnützstraße nicht noch ein weiterer Kindergarten, notfalls auch als Containerlösung gebaut werden kann«, erläuterte Hentschel. Außerdem sei zu prüfen, ob man die für den Umbau der Forellenschule demnächst nicht mehr benötigten Container zunächst als Horträume weiter nutzen kann.

»Es ist spätestens nach dem neuen Unterhaltsgesetz nicht mehr hinnehmbar, dass berufstätige Eltern wegen mangelnder Betreuungsangebote für ihre Kinder gar zur Berufsaufgabe genötigt werden«.

Nach Ansicht Hentschels könnte die Situation auch durch ein »Platz-Sharing« von Hortplätzen entlastet werden: »Es sollte möglich sein, dass ein Hortplatz auch von zwei Kindern im Wechsel genutzt werden kann«. Schließlich gebe es ja Mütter in Halbtagsjobs, die nur an manchen Nachmittagen eine Betreuung bräuchten. Diese gingen bei der Platzvergabe oft leer aus. »Ich gehe allerdings davon aus, das so genannte Härtefälle immer Berücksichtigung finden«, so Hentschel.

K.Kohnke

Artikel vom 03.06.2009
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...