Ramersdorf-Perlach »gut aufgestellt« – Bedarf ist aber immer da

Neuperlach · Jugendarbeit hat ihre Grenzen

Neuperlach · Mehr Unterstützung für die präventive Jugend-Arbeit des Sozialbürgerhauses, mehr Ganztagsbetreuung an Schulen, Wochenend-Angebote in Kinder-Freizeiteinrichtungen, mehr Ärzte-Präsenz an den Schulen und ein Raum für Jugendliche in Waldperlach – das sind die Wünsche, die sich bei einer Sondersitzung des Bezirksausschusses (BA) Ramersdorf-Perlach zu dem Thema »Verstärkung der präventiven Kinder- und Jugendso­zialarbeit in Ramersdorf-Perlach« herauskristalliert haben.

Anlass war ein Antrag von Markus Blume vom Januar 2008, in dem der CSU-Landtagsabgeordnete nach der U-Bahn-Schlägerei am Innsbrucker Ring eine Verstärkung der präventiven Kinder- und Jugendsozialarbeit im 16. Stadtbezirk gefordert hatte.

Doch wirklich zufriedenstellend war das Treffen zwischen Vertetern des BA, des Stadtjugendamtes und verschiedener Kinder- und Jugendeinrichtungen im Stadtteil offenbar nicht, denn am Ende stellte Ruth Schwab-Betz von der Ambulanten Erziehungshilfe des Kinderschutz e.V. fest: »Ich verstehe die Zielsetzung der Sitzung nicht. Ich habe erwartet, dass hier gemeinsam überlegt wird, was verbessert werden kann oder dass ein Antrag formuliert wird, wo mehr Personal in welchem Bereich benötigt wird.« Stattdessen hatten Stefan Fischer, Leiter der Abteilung Kinder, Jugend und Familie im Sozialreferat sowie sein Kollege Thomas Kempmann, Bereich Jugendsozialarbeit, schon zu Beginn der Veranstaltung eindeutig klar gemacht, dass der 16. Stadtbezirk im Bereich Jugendarbeit im Vergleich zu ganz München »sehr gut aufgestellt ist«. Und auch am Ende der Sitzung betonte Fischer nochmals: »Bedarf ist immer da, die Bewertung ist nur eine Frage der Perspektive. Sie haben eine dezentrale Sicht, wir sehen die Gesamtsituation und müssen Prioritäten setzen. Es kann – gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise – nur ein Umbau erfolgen, aber kein Ausbau!«

Gut aufgestellt

An 70 Schulen in München sei mittlerweile Schulsozialarbeit etabliert worden, was die Stadt jährlich 80 Millionen Euro koste, der Freistaat beteilige sich nur mit 100.000 Euro daran. Der Betrieb der 90 regionalen und 30 überregionalen Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen koste die Stadt weitere 40 Millionen Euro.

Allein seit 2007 seien zahlreiche neue Einrichtungen und Stellen in der Kinder- und Jugendarbeit entstanden, darunter Schulsozialarbeit an der Hauptschule Führichstraße und der Förderschule am Gerhart-Hauptmann-Ring, das Johanniter- haus an der Hachäckerstraße, das im September in Betrieb gehen soll (Südost-Kurier berichtete), Streetworker sei nun mit 3,75 Stellen besetzt und einiges mehr. BA-Mitglied Jörg Haslinger (CSU) monierte jedoch, dass 3,75 Stellen »ein Tropfen auf den heißen Stein« sei. Wolfgang Thalmeier (CSU) fragte nach Evaluations-Maßnahmen und wer alle Einrichtungen koordiniere. »Die Wirkung ist schwer nachweisbar, wir führen externe Befragungen bei Jugendlichen, Eltern und Lehrern durch und diskutieren mit Trägern von Einrichtungen, welche Veränderungen notwendig sind«, erklärte Fischer.

Der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion (PI) 24, Bernhard Sitzberger, präsentierte Zahlen, die den Erfolg der Jugendarbeit offenbar in Frage stellen. Insgesamt ginge die Kriminalität zwar zurück, aber die Gewaltkriminalität in Bezug auf Schlägereien und mutwillige Zerstörung stagniere seit 2007 auf »hohem Niveau« im 16. Stadtbezirk bei zirka 195 Straftaten pro Jahr, so Sitzberger. Er appellierte an alle, die Polizei frühzeitig über Gruppenbildungen zu informieren. Man müsse die Jugendlichen rechtzeitig aus der Anonymität holen.

Die Polizei leiste ebenfalls ausgedehnte Jugendarbeit, gehe in Schulen und bilde Lehrkräfte aus. Allerdings seien zwei Beamte für 25 Schulen zu wenig. Hier wünsche man sich mehr staatliche Beteiligung. »Inzwischen arbeiten wir auch mit dem Sozialbürgerhaus eng zusammen«, erklärte Sitzberger. »Nach Dienstschluss springt die Polizei ein und bringt schwierige Fälle in geeignete Einrichtungen, bis wir uns am Montag wieder um sie kümmern können«, bestätigte der Leiter, Karl-Heinz Weyrich. Ein Notdienst für Jugendliche in Krisensituationen, wie ihn Otto Schlichtmeier (ödp) anregte, sei deshalb eigentlich nicht nötig. Außerdem gebe es auch viele hilferesistente Jugendliche. »Wir können nicht alle motivieren«, sagte Weyrich. Er wünscht sich stattdessen mehr Unterstützung im präventiven Bereich.

Eltern ins Boot holen

Michaela Bormann, Rektorin der Grundschule an der Rennertstraße, lobte die hervorragende Arbeit der Bezirkssozialarbeiter und forderte: »Eltern müssen mit ins Boot geholt werden, wir können ihnen nicht jede Verantwortung abnehmen.«

Markus Bloch, Leiter des Kirchlichen Jugendzentrums, monierte: »Wir reden zu wenig mit Jugendlichen. Sie brauchen mehr Plattformen«. Abends beginne die kritische Zeit, aber wenn dann noch Lärm in den Einrichtungen sei, gingen die Anwohner auf die Barrikaden.

Als dann die Sprache auf Werteerziehung kam, zog Fischer die Bremse: »Wir können nicht alles nachholen, was in Familien versäumt wird. Die Jugendarbeit hat ihre Grenzen.«

Sybille Föll

Artikel vom 03.06.2009
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