Siegestor: Passender Ort für Gedenkveranstaltung zum Kriegsausbruch 1939?

Maxvorstadt/Schwabing · Streit um Symbolcharakter

BA-Chef Oskar Holl will am Siegestor mit einer Gedenkveranstaltung an den Ausbruch des zweiten Weltkriegs erinnern.	Fotos: js

BA-Chef Oskar Holl will am Siegestor mit einer Gedenkveranstaltung an den Ausbruch des zweiten Weltkriegs erinnern. Fotos: js

Maxvorstadt/Schwabing · Für seine Bemühungen, die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus aufrecht zu erhalten, ist der Bezirksausschuss Maxvorstadt (BA 3) bekannt. Umstritten ist im Stadtteilparlament allerdings der Vorschlag, eine Gedenkveranstaltung zum Ausbruch des zweiten Weltkriegs zu organisieren, der sich im September zum 70. Mal jährt. Der Grund: Das Ereignis soll am Siegestor stattfinden. Dies aber würde die rechte Szene auf den Plan rufen, fürchten einige Mitglieder des Gremiums.

Mit öffentlichen Reden von Historikern, Prominenten und Zeitzeugen wollen BA-Chef Oskar Holl (SPD) und sein Parteikollege Alfred Harich am 1. September an der Südseite des Siegestors an den Kriegsausbruch erinnern. Das Gebäude symbolisiere wie kein anderes »die Fragwürdigkeit, ja Sinnlosigkeit aller Kriegshandlungen«, heißt es in dem schriftlichen Antrag, den die Lokalpolitiker dem Gremium auf seiner jüngsten Sitzung zur Abstimmung vorlegten.

Bei zahlreichen Mitgliedern des BAs stieß das Vorhaben jedoch auf herbe Kritik. »Das kann ich so nicht unterstützen«, sagte Silvia Schibalski (FDP). »Wenn die Veranstaltung am Siegestor stattfindet, wird man doch in eine ganz falsche Ecke gestellt«, mahnte sie. Irmgard Schmidt (SPD) teilte ihre Ansicht: »Dieser Ort wird mit Sieg verbunden«. Als ältestes Mitglied des BA hat sie den Kriegsausbruch als zehnjähriges Mädchen selbst miterlebt. »Ich habe Hitlers Töne noch heute im Ohr«, sagte sie. Es sei nicht absehbar, was eine derartige Veranstaltung in der rechten Szene auslöse.

Holl indes warnte, man dürfe das Vorhaben nicht aus Angst vor Neonazis fallen lassen. »Vorauseilender Gehorsam gegen Rechts wäre für eine Demokratie fragwürdig«, sagte er. Zudem habe er sich bereits bei der Polizei über die Gefahr extremistischer Übergriffe informiert und ihm sei versichert worden, dass dies in München nicht zu erwarten sei. Michael Bärmann (Grüne) stimmte ihm zu. »Wenn das die rechte Szene mobilisiert, müssen wir dagegen halten«, sagte er. Zudem verbinde er mit dem Siegestor keine heroische Symbolik. »Für mich und für weite Teile der Bevölkerung ist das ein Friedenstor«, betonte er.

Auch der Pfarrer von St. Ludwig, Ulrich Babinsky, der persönlich zur Sitzung gekommen war, da seine Gemeinde zusammen mit St. Markus die Anregung zu der Veranstaltung gegeben hatte, hält das Siegestor nicht für einen ungeeigneten Ort. »Tag für Tag sticht mir das Bauwerk als Friedensmahnmal ins Auge«, sagte er. Voller Mut habe die Nachkriegsgeneration dem Gebäude eine ganz neue Bedeutung gegeben. Ihm sei viel daran gelegen, dass dort des Kriegsbeginns gedacht werde. Um Andersgläubige nicht auszuschließen, habe er sich allerdings gegen eine kirchliche Veranstaltung zu diesem Anlass entschieden und den BA darum gebeten, das Projekt unter eigener Federführung zu übernehmen.

Überzeugt haben die Worte des Pfarrers das Stadtteilparlament jedoch nicht. Schibalski schlug vor, das Ereignis an der Universität stattfinden zu lassen. Nach langem Ringen erklärte Holl sich bereit, den Antrag abzuändern und neben dem Siegestor auch den Geschwister-Scholl- und Professor-Huber-Platz als mögliche Veranstaltungsorte mit aufzunehmen. In dieser neuen Form wurde die Beschlussvorlage mehrheitlich vom BA angenommen. Ob das Siegestor aus geschichtswissenschaftlicher Sicht als Friedensmahnmal oder Kriegsdenkmal zu beurteilen ist, erklärt der Experte Thomas Weidner vom Münchner Stadtmuseum unten. Julia Stark

Friedens- oder Kriegsdenkmal?

Die Geschichte des Siegestorst

»Dem Sieg geweiht, vom Krieg zerstört, zum Frieden mahnend« – so lautet die Inschrift, die Wilhelm Hausenstein am Siegestor anbringen ließ, nachdem das Bauwerk, das im zweiten Weltkrieg zerstört worden war, 1958 wieder aufgebaut wurde. Ursprünglich hatte der von 1843 bis 1852 errichtete Torbogen, der die Grenze zwischen Leopold- und Ludwigstraße bildet und heute als Friedensmahnmal bewertet wird, jedoch eine ganz andere Bedeutung. Thomas Weidner, Sammlungsleiter am Münchner Stadtmuseum und Verfasser der Publikation »Das Siegestor und seine Fragmente« von 1996 warnt: »Vor dem Hintergrund seiner Entstehungsgeschichte sollte man das Bauwerk nicht romantisieren.«

Vielfach werde das Siegestor zu einem Kunstbau nach dem Vorbild des Konstantinbogens in Rom stilisiert. »Das halte ich jedoch nicht für zutreffend«, sagt Weidner. Mit der Schaffung des Bauwerks habe der Wittelsbacher König Ludwig I. nicht nur ein Architekturzitat setzen wollen, das der damaligen Begeisterung für die Antike entsprang. Vielmehr habe der Torbogen eine politische Funktion gehabt. »Der Bayerische Monarch wollte mit Napoleon abrechnen und sich der Loyalität seines Heeres versichern«, so der Experte. Der Bau sei eine klare Drohung gegen Frankreich gewesen.

Ein Zusammenhang zwischen dem Siegestor und den Verbrechen des Nationalsozialismus bestehe jedoch nicht. »Da gibt es in München wesentlich delikatere Orte«, sagt Weidner. So würde sich die vom Bezirksausschuss Maxvorstadt (BA 3) geplante Gedenkveranstaltung zum Ausbruch des zweiten Weltkriegs (s. S. 1) etwa an der Feldherrnhalle verbieten. Derartige Bedenken gebe es für das Siegestor nicht. »Allerdings bin ich dagegen, diesen Ort zu verharmlosen«, betont er. Aus historischer Sicht sei der Bau ein politisches Denkmal, das die deutsch-französischen Differenzen des 19. Jahrhunderts zum Ausdruck bringe. Julia Stark

Artikel vom 26.05.2009
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