Skulptur erinnert an Verfolgung der Sinti und Roma

Münchner Zentrum · Erinnerung an Völkermord

Zentrum · Vom 18. bis zum 29. Mai wird im Rathaus eine Wanderskulptur gezeigt, die der Kunstschmied Karl Horvath gemeinsam mit jungen Sinti und Roma aus dem Stadtbezirk Feldmoching-Hasenbergl entworfen und geschmiedet hat. Sie soll ein Zeichen der Erinnerung an den nationalsozialistischen Völkermord an den deutschen und europäischen Sinti und Roma setzen und gleichzeitig für die Förderung des interkulturellen Dialogs eintreten.

Die Ausstellung der Skulptur im Rathaus steht im Zusammenhang mit dem 65. Jahrestag des Aufstands der Sinti und Roma in Auschwitz am 16. Mai 1944.

Oberbürgermeister Christian Ude: »Auch in München hat es viel zu lange gedauert, bis die Stadt sich der Geschichte der Ausgrenzung, Entrechtung und planmäßigen Vernichtung der Sinti und Roma gestellt und der Münchner Opfer gedacht hat. Dabei hat gerade München als Zentrum der Verfolgung eine ganz besonders unrühmliche Rolle gespielt.« Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme begannen der Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, und der Leiter der bayerischen politischen Polizei, Reinhard Heydrich, in München unverzüglich mit dem Aufbau eines polizeilichen Überwachungs- und Verfolgungsapparates zur Jagd auf Juden, Sinti und Roma und alle, die nach der NS-Ideologie nicht in die nationalsozialistische Gesellschaft passten. Noch im gleichen Jahr 1933 wurde bei der Polizeidirektion München die so genannte »Zentrale Zigeunerpolizeistelle« des Reichs eingerichtet.

Standesämter, Staatsanwaltschaften, Amtsgerichte, Meldebehörden und Bezirksämter taten ein Übriges dazu, um ein möglichst lückenloses System aus Diffamierung, Entrechtung und Verfolgung zu schaffen. Ebenfalls 1933 wurde vor den Toren Münchens in einer stillgelegten Munitionsfabrik bei Dachau das erste Konzentrationslager errichtet. Auch Sinti und Roma wurden dorthin verschleppt, wo sie nicht anders als später in Auschwitz und anderen Vernichtungslagern von den Lagerärzten für qualvolle pseudo-medizinische Experimente missbraucht oder unter unmenschlichen Bedingungen zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden.

Es folgten die Totalerfassung durch eine »rassebiologische Untersuchung« und reichsweite Verhaftungswellen. Und es folgte schließlich die Anordnung Himmlers vom 16. Dezember 1942, alle bis dahin noch im Reichsgebiet verbliebenen Sinti und Roma nach Auschwitz zu deportieren. Drei Monate später meldete München Vollzug: Am 13. März 1943 wurden 141 Münchner Sinti und Roma, vom Baby bis zum Greis, in Viehwaggons gepfercht und ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Die meisten von ihnen kamen ums Leben, ermordet in den Gaskammern, verhungert oder elend zugrunde gegangen an den unmenschlichen Lebensbedingungen.

Am 16. Mai 1944 wehrten sich die Gefangenen des so genannten »Zigeunerlagers« in Auschwitz gegen die geplante Ermordung in den Gaskammern – ein Akt des Widerstands gegen den nationalsozialistischen Völkermord, über dem jahrzehntelang der Mantel des Schweigens lag und an den vor fünf Jahren bei einer Gedenkveranstaltung im Auswärtigen Amt in Berlin zum ersten Mal überhaupt öffentlich erinnert wurde. Mit dem Mute der Verzweiflung hatten die rund 6.000 Sinti und Roma, die in dieser Todesfabrik damals noch am Leben waren, sich gegen die von der Lagerkommandantur angeordnete Ermordung zur Wehr gesetzt: verbarrikadiert in ihren Baracken, mit Werkzeugen und Steinen auf notdürftigste Weise »bewaffnet«, und zu allem entschlossen, um ihr Leben und um das Leben ihrer Angehörigen und Leidensgenossen zu kämpfen. Und sie brachten die SS-Schergen tatsächlich dazu, unverrichteter Dinge wieder abzuziehen, auch wenn es nur ein kurzzeitiger Aufschub war, den sie ihren Mördern damit abgetrotzt haben.

Insgesamt fielen dem nationalsozialistischen Völkermord eine halbe Million Sinti und Roma zum Opfer. Die Wanderskulptur wird bis zum 29. Mai im Rathaus, 2. Stock, vor Zimmer 203 gezeigt. Sie wurde von der Diakonie Hasenbergl, vom Club Hasenbergl des Kreisjugendrings und der Madhouse gGmbH initiiert, im Sommer vergangenen Jahres im Club Hasenbergl festlich eingeweiht und reist seitdem durch die Münchner Stadtviertel.

Artikel vom 20.05.2009
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