Wie Münchner Jugendliche auf neue Art Druck machen

München - Engagement mal anders

Debattierten am runden Tisch (v.li.): Benjamin David, Fabian Bennewitz, Johannes Trischler, Moderator Marco Eisenack, Max Hentschel und Gerhard Wagner. Foto: sm

Debattierten am runden Tisch (v.li.): Benjamin David, Fabian Bennewitz, Johannes Trischler, Moderator Marco Eisenack, Max Hentschel und Gerhard Wagner. Foto: sm

„Was brauchen wir die SPD, wir können doch auch streiken“. So könnte das Motto der heutigen Jugend lauten. Scheint sie auf den ersten Blick politisch desinteressiert, stellt man beim genauerem Hinsehen fest, dass junge Menschen sich durchaus für ihre Rechte stark machen. Beim bundesweiten Bildungsstreik im November 2008 gingen 100.000 Schüler auf die Straßen und protestierten gegen das Bildungssystem. Solche Aktionen zeigen, dass Jugendliche durchaus politisch sein können.

Auch in München gibt es zahlreiche Initiativen von Jugendlichen, seien es spontane Verkehrs-Demos der Initiative „Critical Mass“ oder nächtliche Pflanzaktionen der „Garden Guerilla“. Doch warum werden die neuen Aktivitäten in der Öffentlichkeit so wenig wahrgenommen? Auf welche Art unterscheidet sich ihr Engagement von politischen Traditionen der Parteipolitik? Wie wichtig ist jungen Münchnern die Verbindung von politischer Partizipation und persönlicher Party?

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Um diese Fragen ging es beim Stadtgespräch der Münchner Volkshochschule vergangenen Montag in der Schrannenhalle. Dass die Jugend unpolitisch, gleichgültig und egoistisch sei, ist „ein gängiges Vorurteil, das mit der Realität wenig zu tun habe“, sagte Gerhard Wagner von Kreisjugendring München-Stadt. „Politikverdrossenheit ist etwas anderes als Parteienverdrossenheit, junge Leute mischen heute so viel mit wie nie zuvor.“ Und tatsächlich: Geht es um Streikvorbereitungen an Schulen, Bildungsdemos vor den Universitäten oder das Recht auf Skaten – die Jugendlichen melden sich lautstark zu Wort. Doch sie wollen sich immer weniger an Parteien binden, wichtiger sind ihnen direkte und unmittelbare Erfolge.

Ein Grund, warum sich die Urbanauten, eine Gruppe junger Menschen, die sich mit dem öffentlichen Raum in München beschäftigen, fernab von Parteien organisieren. „Wir bevorzugen die kreative Art der Mitbestimmung“, sagt Benjamin David. „Mit unseren Aktionen wollen wir eine Bewusstseinsbildung bei den Bürgern schaffen“. Über Lautsprecher machten die Urbanauten zum Beispiel auf die Videoüberwachung am Orleansplatz in Haidhausen aufmerksam. „Menschen zu vertreiben, die nicht ins Stadtbild passen – das fanden wir unmöglich“, so David.

Den Weg jenseits der Parteipolitik geht auch Fabian Bennewitz von der Schülerinitiative München, einer Art Schülergewerkschaft, die die Rechte und Interessen von Schülern vertritt. Die Schülerinitiative plant bereits den nächsten Bildungsstreik am 17. Juni, bei dem Schüler zusammen mit Studenten und anderen sozialen Gruppen bundesweit für eine bessere Bildungspolitik demonstrieren. Wichtig sei, von außen auf politische Missstände einzuwirken, „wir brauchen radikalen Druck auf die Politik“, sagt Bennewitz.

Weniger radikale, aber durchaus vielversprechende Aktionen plant die Münchner StadtschülerInnenvertretung. Die seit diesem Schuljahr neu gegründete stadtweite Vertretung, die ein Jahresbudget von 50.000 Euro sowie ein Anhörungsrecht im Stadtrat hat, plant für dieses Jahr drei große Projekte. Zum einen organisiert das 18-köpfige Gremium den Münchner Schüleraustausch, bei dem Schüler für eine Woche die Schule wechseln sollen. Dies soll auch zwischen den Schultypen geschehen. „Nur so können Vorurteile gegenüber versnobten Gymnasiasten und bekloppten Hauptschülern abgebaut werden“, erklärt Max Hentschel, eines der Vorstandsmitglieder. Außerdem strebt die StadtschülerInnenvertretung einen einheitlichen Schülerausweis an. Alle Münchner Schüler sollen den gleichen Ausweis bekommen, zum einen „um Fälschungen zu vermeiden“, zum anderen, „um auch hier eine Vereinigung aller Schularten zu erreichen“, so Hentschel. Das dritte Projekt ist ein „Meilenstein“ auf dem Marienhof. Auf einem rund acht Kubikmeter großen Stein haben die Schüler die Möglichkeit, Meinungen und Wünsche aufzuschreiben. Für das „öffentliche Schulklo“ habe Stadtschulrätin Elisabeth Weiß-Söllner bereits eine Zusage erteilt.

Mit der Stadt scheint es bislang keine Schwierigkeiten zu geben, im Gegenteil: „Die Stadtspitze ist froh, dass sich junge Menschen einmischen und mitreden wollen“, sagt Johannes Trischler vom Münchner Jugendrat, der die Gründung der StadtschülerInnenvertretung erwirkte. „So ein Gremium ist in Deutschland einmalig“, und darauf sei man stolz in München.

Am Beispiel der StadtschülerInnenvertretung wird deutlich, wie neue Formen der politischen Mitwirkung entstehen können. Um sich engagieren zu wollen, sind nicht zwangsläufig Parteien notwendig. Attraktive Plattformen für Jugendliche sind längst geschaffen. Fest steht: Die heutige Jugend ist nicht weniger engagiert als frühere Generationen. Sie ist anders engagiert.

Von Stefanie Moser

Artikel vom 30.04.2009
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