Milbertshofener Maler und Chronisten vollenden zurzeit ihre Werke

Milbertshofener »Galerie« bald fertig

Amballi Bamgbola, wie Stefan Caspari ihn sieht – und gemalt hat. 	Bild: VA

Amballi Bamgbola, wie Stefan Caspari ihn sieht – und gemalt hat. Bild: VA

Milbertshofen · Bald kann man sie im Kulturhaus bewundern – die »Galerie der echten Milbertshofener. Um die Vorfreude darauf zu steigern, drucken wir heute zum letzten Mal den Anfang eines Textes über einen Milbertshofener ab, der für die »Galerie der echten Münchner entstanden ist. Geschrieben hat ihn Marco Eisenack. Er stellt unter dem Titel »Zwischen Lagos und Lederhosen« Amballi Bamgbola vor:

Der Nigerianer Amballi Bamgbola kam nach München, um Malerei zu studieren. Als Sohn eines Medizinmannes wurde er hier erst Lüftlmaler, dann Paketfahrer – und genießt bis heute Exotenstatus. Das Hobby von Amballi Bamgbola ist eher ungewöhnlich: Er schaut gerne Menschen auf der Straße an. In Lagos setzte er sich oft schon morgens um sieben vor das Haus und guckte den Leuten zu. »Sehen, wie verschieden Gott die Menschen geschaffen hat, das finde ich einfach super.« Wenn der gebürtige Nigerianer in breitem Bayerisch »super« sagt, klingt das so münchnerisch wie sein Spitzname »Willi«.

Der Kunstmaler lacht, wenn das Gespräch auf den, für einen Mann vom Stamme der Yoruba, ungewöhnlichen Namen kommt. Das habe sich so entwickelt. »Amballi Bamgbola« sei so kompliziert, dass er sich in München mit der Zeit lieber einfach als »Bally« vorgestellt habe. Aber immer hätten die Menschen dann fröhlich gerufen: »Ah, Willi!«. Und der höfliche Afrikaner wollte seine Gesprächspartner nicht jedes Mal verbessern. Heute begrüßt der Mann mit festem Handschlag und einnehmendem Lächeln die Besucher gleich mit den Worten: »Hallo, ich bin der Willi«. In Milbertshofen, über den Dächern schmuckloser Wohnblocks, hat sich der bayerische Afrikaner in einem Ein-Zimmer-Appartement sein afrikanisches Refugium geschaffen. Wer auf einem mit Fell überzogenen dreibeinigen Holzschemel sitzt und mit Milchpulver angerührten Kaffee trinkt, blickt auf ein überfrachtetes Bücherregal mit Bildbänden über die Naturschätze Afrikas. Auf dem kleinen Abstelltisch liegt eine aufgeschlagene Bibel. »Jesus is Lord«, steht an der Wand. Daneben flimmert der große Flachbildfernseher. Videos mit »Yoruba Choir Music« flimmern auf dem Bildschirm.

Frauen in bunten Kleidern singen Schlager aus Bamgbolas Heimat. Es geht um Gott und um die Liebe. Die wuchtige Schrankwand ist vollgepackt mit exotischem Kunsthandwerk: Figuren, Schalen, Masken. »Wenn ich in Afrika bin, bringe ich immer was mit«, sagt der Wahlmünchner. »Ich liebe die afrikanische Kunst.« Während der fast 40-jährigen Diaspora brachte der Auswanderer so einiges nach Europa. Mittelpunkt der Wohnung ist die Staffelei. Ausgedrückte Farbtuben liegen neben dem Bild eines Liebespaares. An der Schrankwand lehnt das Porträt einer farbigen jungen Frau mit Mandelaugen und Rastalocken. »Ich mag den malerischen Realismus«, sagt der Künstler. In München wurde er öfter mit den Realitäten konfrontiert, als ihm lieb war.

Bamgbola wird 1945 als Sohn eines Medizinmannes im ländlichen Gebiet der britischen Kolonie geboren. Als der Fünfjährige in der Schule Hinterglasmalerei kennen lernt, spürt er gleich, dass er Talent hat. Doch der Beruf Kunstmaler bleibt im postkolonialen Nigeria unerreichbar. So tritt der verhinderte Künstler 1965 eine Stelle im Verteidigungsministerium an und erlebt, wie sich 1967 ein Streit um Macht und Rohstoffe zum tödlichen Biafra-Krieg zuspitzt. In drei Jahren verlieren mehr als zwei Millionen Menschen ihr Leben. Während Bamgbola in einer Kaserne im Städtchen Apapa Entschädigungsanträge von Kriegsopfern bearbeitet, spricht sich sein künstlerisches Talent herum. Weil das junge Nigeria Corps dringend Motive für Rangabzeichen braucht, fragt man den Hobbykünstler aus der Verwaltung, ob er ein Emblem zeichnen könne. Und schon bald putzen Rekruten Wüstenstaub von einem Abzeichen, das der heutige Münchner entworfen hat. Als Sohn eines angesehenen ­Medizinmannes genießt Bamgbola in Lagos das Leben der privilegierten Schicht.

Auf einer privaten Feier lernt er einen deutschen Ingenieur der Baufirma, Julius Berger, kennen. Der Mann mit den kurzen blonden Haaren soll sein persönlicher Brückenbauer werden. Nachdem er einige Bilder des jungen Afrikaners gesehen hat, gibt der Deutsche dem begabten Maler einen Rat: »Geh’ doch nach München oder Hamburg. Da kannst du deine Kunst an der Universität verfeinern.« Von diesem Augenblick an glaubt der junge Maler wirklich an seine Fähigkeiten. »Der Mann war für mich wie ein Engel«, sagt er heute. Wer aus Nigeria nach Europa geht, will aufsteigen, Erfolg haben, vielleicht berühmt werden. »Wer im Ausland studiert, kommt als Chef zurück«, hatte der College-Absolvent Bamgbola in seinem Umfeld beobachtet. Über die Stadt München im fernen Deutschland wusste er damals eigentlich nichts. Nur von den Olympischen Spielen habe er gehört gehabt, »hatte einen Mann kennengelernt, der 40 Meter unter der Erde arbeitete, um Tunnel für die neue U-Bahn zu graben«, das klang für den Afrikaner nach dem ganz großen Abenteuer. (...)

Die ganze von Eisenack aufgeschriebene Geschichte Bamgbolas kann man im Katalog zu der »Galerie der echten Münchner« nach­lesen.

Artikel vom 22.04.2009
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