Albrecht Ackerland über Bildung

München - „Da schau her“

Ich liebe meine Boazn, das Bier schmeckt, der Wirt ist kein Geizkragen. Vor allem aber: Die Gästemischung ist sehr angenehm. Dort sitzen eben nicht nur feingeistige Wichtigtuer. Wenn man will, kann man den ganzen Abend vorzüglich über das Maurerhandwerk ratschen. So eben auch neulich.

Ich wusste zwar, dass sich Mauern nicht von selbst aufziehen, aber sonst hatte ich mir keine großen Gedanken gemacht, außer vielleicht, dass es Berufe gibt, die dem Wetter weniger ausgesetzt sind. Meiner zum Beispiel.

Das wurde mir auch prompt vor den Latz geschnalzt. Ich kannte ihn nicht, er war schon da, als ich ins Stüberl kam und saß am Tresen neben meinem Stammplatz. Ich grüßte und bestellte mein Weißbier. Er sah auf meine Hände, minutenlang. Mir war das wurscht, ich war den ganzen Tag recht beschäftigt und betrieb nun endlich meine Weißbiermeditation.

Dann legte er los, in einem Münchnerisch, wie man es leider nur noch selten hört: „Schau' dir mal deine Finger an, ja, des gibt’s ja gar nicht, sag mal, was bist denn du für ein Schreibtischtäter.“ Keine Ahnung warum, aber ich bekam ein schlechtes Gewissen. Er hatte recht: Meine größte handwerkliche Leistung ist an manchen Tagen das Milchschäumen für meinen Frühstückskaffee.

Dann fing ich mich wieder, sah auf seine Hände, verschrumpelt, ausgetrocknet, abgearbeitet waren sie, er bekam zu hören, was er hören wollte: „Hätt'st was G'scheits g'lernt!“

Er musste lachen, ich auch, weil diesen saudummen und überheblichen Spruch kann man schließlich nur ironisch meinen. Wer sich über andere stellt, bloß weil er nicht vom Schuften, sondern vom vielen Sitzen einen Bandscheibenschaden hat, der müsste sofort zwangsverpflichtet werden zur Schaufelarbeit, am besten als Totengräber.

Er verstand gleich, dass ich also nicht so einer war, und so erzählte er mir stundenlang mit leuchtenden Augen von seinem Beruf: Maurer. Einer von der alten Sorte, sagte er. Rundbögen könne er, niemand sonst könne ihm da den Mörtel reichen. Ich ließ mir in aller Ausführlichkeit erklären, wo die Tücken, wo die Freuden, wo die Schwierigkeiten liegen. Und ich bekam dermaßen Lust auf eine Maurerarbeit, dass ich ihn überzeugen konnte, mit mir im Frühling im Garterl einen schönen kleinen Grillofen zu mauern.

Als ich heim ging, war ich beseelt, vom vielen Weißbier schon auch, vor allem von dem Stückerl Bildung, das ich aus der Boazn mitgenommen hatte. Und von der Erkenntnis: Es zahlt sich aus, mit Menschen zu reden, denn jeder hat seine Geschichte, jeder kann dem anderen etwas beibringen. Das ist die schönste Aus-Bildung die man sich denken kann.

Artikel vom 19.03.2009
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