Albrecht Ackerland über die Gaudi-Iren

München - „Da schau her“

Deutschsein ist eine ernste Angelegenheit. In der Welt glaubt man ja mitunter zu wissen, dass wir Deutschen keinen Funken Humor haben. Dass wir hier zumindest aber durchaus einen Sinn für eine Fetzengaudi haben, also hier in Bayern, das weiß halt keiner. Oder er versteht die Gaudi nicht.

Das kann ich auch gut verstehen: Ein Mario Barth oder so ziemlich jeder andere Lalli, der sich Comedian nennt im Spaßland Deutschland, bringt bei mir genau gar nichts zum Zucken, noch nicht mal die Schultern. Aber irgendjemand – und derer Irgendjemande gibt es offenbar sehr viel – fühlt sich von jener Art Spaß voll getroffen. Besagter Barth füllte im vergangenen Jahr das Berliner Olympiastadion und ungefähr jede andere größere deutsche Halle und versorgte sein johlendes Publikum mit Gags, die für mein Gefühl das genaue Gegenteil eines guten, bayerischen, mitunter gscherten Spaßettl sind.

Aber wenn die Leute was zu lachen haben, dann freut mich das immer. Muss ja nicht jeder den Humor vom Karl Valentin als das Allerhöchste ansehen. Man könnte jetzt sagen, dass der Humor-Wert eines Landes nicht gleichzusetzen ist mit der Menge seiner Stadthallen und Olympiastadien, in denen laut gelacht wird. Aber: Mit dem Humor ist es wie mit dem Geschmack – man darf, ja soll darüber streiten. Haben darf trotzdem jeder seinen eigenen.

Vielleicht war ja eine ganz spezielle Art von Spaß in der Luft, als ich vor wenigen Jahren einmal auf einem Fest des Deutschen Vereins von Chicago war. Ich jedenfalls habe ihn nicht gerochen, dafür den Rauch von verkohlten Würschteln, Bratwürsten, „Brats“ heißen sie dort. Das Hofbräu, das ausgeschenkt wurde, war schal. Wahrscheinlich hat deshalb keiner so richtig gesoffen, wie wir es von unseren Festen nun einmal gewöhnt sind. Dafür schunkelten fünfhundert Menschen mit Sepplhüten und Scherpen um die Wette zu polnischer Polkamusik. Ein Trauerspiel. Irgendwann fiel mir auf, dass kaum eine deutsche Fahne rumhing, dafür alles in weiß-blau dekoriert war.

Ich fragte mich, ob ich in den vergangenen Wochen meiner Reise etwas verpasst hätte, etwa die Übernahme Deutschlands durch Bayern. Die Frage bekam dann auch die Vereinsvorsitzende zu hören. Eine nette Frau, Österreicherin. Sie sprach in einem Deutsch, das man sonst nur noch in Schlagerfilmen der Fünziger hört: „Wir pflegen unser Deutschsein hier.“ Aha. Eine ernste Sache. Ich kam in Fahrt, bat sie um ihren Lieblingswitz. Sie lachte, wenigstens das, und versicherte mir: Ja, wir sind Deutsche und haben Spaß. Seitdem war ich nie mehr auf deutschen Festen im Ausland.

Umso lieber gehe ich auf ausländische Feste im Inland. Vermutlich sind das auch solche Abziehbilder der heimischen Kultur, aber wenigstens habe ich dort meine Gaudi. Und die anderen auch – für meinen Geschmack zumindest. Und ein gescheites Bier gibt’s obendrein. Klare Sache, dass der irische St. Patrick’s Day auf mich zählen kann. Zumal die Iren die gleichen keltischen Wurzeln haben wie wir Bayern. Kein Wunder, dass ich bei denen mehr Spaß habe, als bei manchem Deutschen im In- und Ausland. Und Spaß: Das ist eine ernste Angelegenheit.

Artikel vom 12.03.2009
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