Der Preiskrieg der Friseure und seine massiven Folgen für die Branche

München · Handwerksordnung außer Acht

München · Eine Razzia bei Discountfriseuren hat massive Verstöße gegen die Handwerksordnung aufgedeckt – Betriebe ohne Meister, untertarifliche Bezahlung, Schwarzarbeit und unbezahlte Überstunden. 16 Friseurbetriebe im Niedrigpreissegment hat die Finanzkontrolle Schwarzarbeit rund um den Münchner Hauptbahnhof kontrolliert.

Bei fast allen fand die Behörde Verstöße gegen das Handwerksrecht. Was in der bayerischen Landeshauptstadt aufgedeckt wurde, vermuten Betriebe, Verbände und Gewerkschaften auch in anderen Teilen der Republik. Sybille Hain, Landesinnungsmeisterin für Sachsen-Anhalt und Thüringen, beklagt fehlende Kontrollen in ihrem Gebiet. Als ein »grauenhaftes Thema« bezeichnet sie die Konkurrenz durch die Discountfriseure. »Die Billiganbieter machen Preise auf dem Rücken ihrer Mitarbeiter«, ist Hain überzeugt. Im tariflichen Mindestlohn sieht sie die einzige Möglichkeit, diese unlauteren Mitbewerber vom Markt zu bekommen.

Hain spricht nicht nur als Landesinnungsmeisterin, sondern auch als Unternehmerin: »Ich muss schuften wie verrückt, weil ich links und rechts von Billigkonkurrenz umgeben bin.« Ihren Mitarbeitern Tariflohn zu zahlen, ist für sie trotzdem selbstverständlich. »Doch wenn ich im Laden noch mehr Leerlauf habe, muss ich wohl Arbeitsplätze streichen«, fürchtet sie.

Bundesweit sei die Anzahl der Friseurläden im Jahr 2008 um 10.000 auf 74.000 gestiegen, berichtet der niedersächsische Landesinnungsmeister Hans-Rudolf Meyer. Große Friseursalons gebe es kaum noch, im Schnitt hätten die Salons drei bis vier Mitarbeiter. Wer »normal« kalkuliere, könne sich kaum noch behaupten. Entsprechend gebe es zurzeit in der Branche keine besonders große Euphorie. »Die großen Ketten werden sich behaupten«, ist Meyer überzeugt.

Sein Kollege Harald Pietsch aus Braunschweig klagt: In unmittelbarer Nähe seines Salons hätten sich drei Billigfriseure angesiedelt. Einen Herrenhaarschnitt mit Anfeuchten, Schneiden und Föhnen biete der Salon vis à vis für sieben Euro an. Pietsch müsste seinen Preis wegen gestiegener Betriebskosten eigentlich sogar von 12,50 auf 13 Euro anheben. Andernfalls rechne sich die Dienstleistung nicht. Doch wegen des Konkurrenzdrucks lasse er den Preis stabil. Personal habe er schon abgebaut: drei von fünf Vollzeitstellen.

Auch Sonja Brüggemeier, Landesfachbereichsleiterin bei verdi Niedersachsen weiß von Missständen bei Discountfriseuren. Unbezahlte Überstunden, nicht gewährte Urlaubs- und Pausenzeiten belasteten die Mitarbeiter. Zudem erhielten sie Umsatzvorgaben, bei deren Nichterreichen ihnen Repressalien drohten. Brüggemeier konstatiert: »Die Probleme nehmen an Quantität und Qualität zu und führen zu großen psychischen Belastungen.« Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter im Friseurhandwerk sind sich einig: Ein Mindestlohn muss Einzug in die Branche halten.

Artikel vom 11.03.2009
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