Kleingartenanlage soll »umgesiedelt« werden

Giesing/Harlaching · Anlage vor dem Aus

Blicken in eine unsichere Zukunft ihrer Kleingartenanlage – Johann Schmid (r.) und Karl Gatt von der Anlage »Südost 30« an der Untersbergstraße.  Foto:  Hettich

Blicken in eine unsichere Zukunft ihrer Kleingartenanlage – Johann Schmid (r.) und Karl Gatt von der Anlage »Südost 30« an der Untersbergstraße. Foto: Hettich

Giesing/Harlaching · »Für mich steht die ökologische und soziale Bedeutung der Münchner Kleingärten außer Zweifel. Kleingärten tragen zur Luftverbesserung und Stabilisierung des Kleinklimas in unserer Stadt ebenso bei wie die von der Stadt betreuten Grünanlagen und Parks«, sagte Oberbürgermeister Christian Ude 1993.

Dieser Ausspruch klingt heute für die Pächter der Kleingartenanlage »Südost 30« an der Untersbergstraße in Obergiesing fast schon wie Hohn, denn jetzt vollzieht die Stadt München in dieser Sache eine radikale Kehrtwende.

Denn nach dem Willen der Kommune soll die Kleingartenanlage im Dreieck zwischen Mittlerem Ring, Untersbergstraße und Weißenseepark aufgelöst werden. Zwar soll das Vorhaben nach heutigen Planungen erst im Jahr 2012 umgesetzt und das rund 5.100 Quadratmeter große Areal dann in eine Grünzugerweiterung rund um besagten Weißenseepark integriert werden – doch bei den oft schon seit Jahrzehnten dort beheimateten Kleingärtnern läuten längst die Alarmglocken. »Viele Menschen werden hier ihrer angestammten Freizeitheimat beraubt«, zeigen sich Anlagen-Vorstand Johann Schmid und Kassier Karl Gatt erschüttert über das Vorhaben. Seit Jahrzehnten sind beide auf der Anlage, hegen und pflegen ihre schmucken Parzellen und haben in dieser Zeit auch sehr viel Geld investiert. »Wir haben hier 15 Pächter und ganze Familien vom Kleinkind bis zum Opa, die alle wie vor den Kopf geschlagen sind«, beschreibt Schmid die Situation. »Für viele Leute hier bricht eine Welt zusammen – wir sind hier interkulturell und auch eine schwerbehinderte Dame hat hier ihren Garten. Diese Menschen werden vonseiten der Stadt entwurzelt«, so Schmid tief bekümmert.

Hintergründe: Eigentlich wäre für das stadtplanerische Projekt schon weit früher der Startschuss gefallen, doch fehlten anfangs die entsprechenden Finanzmittel, die jetzt aus dem Bund-Länder-Kommunen-Programm »Soziale Stadt« in das Projekt geschaufelt werden sollen. Zum Leidwesen der Gartler, die sich vonseiten der Stadt mehr als stiefmütterlich behandelt fühlen. »Es nützt uns nichts, wenn der Oberbürgermeister den hohen Freizeitwert der Anlagen attestiert, uns für wohnortnahen Urlaub ohne weite und abgaslastige Fahrten lobt und dann in unserem Existenzkampf alleine lässt!« Johann Schmid ist sauer. Die Anlage, die seit 1927 besteht und in der sein Vater bereits vier Jahrzehnte Blumen und Gemüse züchtete, werkelte und eine grüne Lunge mit entwickelte, ist ihm wie den anderen rund 50 Nutzern buchstäblich ans Herz gewachsen. Hier haben sie Kanalisation, Toilettenanlagen und weitere Infrastruktur in liebevoller wie schweißtreibender Arbeit nachgerüstet. Weshalb Schmid, Gatt und Co. in der Vergangenheit immer wieder Versuche unternommen hatten, die Kleingartenanlage langfristig zu sichern.

»Doch da ist uns die Stadt in die Parade gefahren«, erklärt Gatt, der unzählige Schreiben und ellenlangen Schriftverkehr vorlegen kann. »Die haben den Preis für eine solche Umwidmung bewusst in schwindelnde Höhen getrieben«, so der Rentner. »Wir sollten eine kostenintensive und überflüssige Lärmschutzwand errichten lassen – just an der Stelle, wo heute bereits ein Wall und eine von uns aufwändig gepflegte Heckenlandschaft genug Puffer zum Mittleren Ring schafft! Das hätte uns alleine über 130.000 Euro gekostet!« Zudem sollten die Parzellen künftig mit Einheitshütten ausgestattet werden, erzählt Schmid. »Die wären bis zu 10.000 Euro teuer und hätten die Vielfalt vor Ort zerstört. Insgesamt wären Kosten von knapp 450.000 Euro auf uns zugekommen.« Fazit der Betroffenen: »Man will uns hier offensichtlich nicht länger dulden!« Eine von der Stadt in Aussicht gestellte Alternative »Im Gefilde« kommt für Schmid und Gatt nicht in Frage: »Wir müssten wieder bei null anfangen – unsere Strukturen wären zerstört!«

Rechtliches

Die rechtlichen Fundamente für eine Schließung und Umwandlung der Anlage hatte die Stadt bereits 2002 durch einen entsprechenden Beschluss des Stadtplanungsausschusses in Stein gemeißelt. Zudem tat das Planungsreferat in der Vergangenheit wiederholt kund, die Anlage sei kein Bestandteil des künftigen Bebauungsplans und damit ungenehmigt. »Der von der Stadt propagierte Grünzug findet doch hier schon seine Fortsetzung«, so Vorstand Schmid. Zudem sprechen die Kleingartler von »Ungleichbehandlung«.

Denn die Bewohner der angrenzenden »Schwarzbauten am Franz-Eigl-Weg« genössen lebenslangen Bestandschutz – »wir dagegen sollen schneller weichen«, so Schmid. Bei der Stadt und im zuständigen Planungsreferat fährt man eine konträre Argumentation: »Die Anlage könnte nur auf Basis einer Bebauungsplanänderung fixiert werden«, so Sprecher Michael Hardi. »Dafür allerdings wäre nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz auch eine Lärmschutzwand nötig«.

Dennoch – aufgegeben haben die Frauen und Männer von »Südost 30« aber noch längst nicht. Der Bezirksausschuss hat bereits zugesagt, den Pächtern helfen zu wollen. Laut BA-Chef Horst Walter und einstimmigem Gremiumsbeschluss soll ein Vertreter der Stadt in den BA eingeladen werden und zusammen mit dem Gremium Möglichkeiten eines Verbleibs ausloten. Walter spricht trotz des Rechts der Stadt von einer »sehr unglücklichen Gemengelage«. Zudem haben sich Schmid und seine Mitstreiter erneut an den Oberbürgermeister gewandt.

Harald Hettich

Artikel vom 25.02.2009
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