Unterschleißheimer Schüler bringen das brisante Thema Pflege auf die Bühne

Unterschleißheim · Gregor Samsa sind wir alle

Kafkas »Verwandlung« in der aktuellen Version der Unterschleißheimer Gymnasiasten sorgte für viel Begeisterung und Beifall.	 Foto: sh

Kafkas »Verwandlung« in der aktuellen Version der Unterschleißheimer Gymnasiasten sorgte für viel Begeisterung und Beifall. Foto: sh

Unterschleißheim · Engagement aus Spaß und Freude an einer Sache bringt die fruchtbarsten Ergebnisse. Das zeigt eine Schülergruppe des Carl-Orff-Gymnasiums. Im Rahmen des Grundkurs-Wahlfachs »Dramatisches Gestalten« erarbeiteten sich sieben Kollegiaten aus K12 und K13 das Theaterstück »Die Verwandlung« von Franz Kafka. Der Zwanzigminüter ist am 26. März in der Schulmensa beim »Bunten Abend« des Gymnasiums zu sehen.

Mit dem Stück beteiligen sich die Unterschleißheimer am bundesweiten Schultheaterwettbewerb des Bundesministeriums für Gesundheit zum Thema »Saison! Theater ums Alter«. 46 Schultheatergruppen haben sich zum Wettbewerb angemeldet, fünf davon dürfen als Gewinner nach Berlin fahren und ihr Stück aufführen. Eine Jury bestehend aus Günter Lamprecht, Ulrike Frank, Werner Ballhausen, Wilfried Kretschmar und anderen hochkarätigen Sachverständigen wählt die drei besten Theatergruppen aus.

Davon angespornt suchten die sieben Unterschleißheimer Gymnasiasten gemeinsam mit Kursleiter Michael Blum nach einem passenden Theaterstück und stießen so auf Franz Kafkas Novelle von 1912. Sie erzählt vom Handelsreisenden Gregor Samsa, der als ausgenutztes, versorgendes Familienoberhaupt eines Morgens als hässlicher Käfer erwacht und aufgrund seines Aussehens und Verhaltens immer mehr von den Familienmitgliedern verachtet, gemieden und schließlich so vernachlässigt wird, dass er einsam stirbt.

Daraus machten die Schüler In vielen Stunden Arbeit eine ganz aktuelle Geschichte: In ihrem Stück erwacht Gregor nicht als Käfer, sondern als hilfloser Greis. Aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit fällt er als Ernährer der schmarotzenden Kinder und der Schwester aus. Keiner will sich um ihn kümmern. Wie im Original stirbt auch hier der Hauptdarsteller vereinsamt und verlassen. Die Familie reagiert ausgelassen und erleichtert, nur die Schwester erkennt plötzlich, dass es ihr bald im Alter ähnlich ergehen könnte.

Während der Szenen blenden die Schauspieler immer wieder Statistiken zur Situation Pflegebedürftiger ein, etwa wie viele Frauen der Bevölkerung im Vergleich zur geringen Zahl der Männer diesen Pflegedienst übernehmen oder wie viele alte Menschen in Heimen und nicht zu Hause bei der Familie leben.

Bei den Proben zeigte sich das Problem der Darstellung eines alten Menschen durch junge Leute. So griff man kurzerhand zum Trick des Schattenspiels. Der alte Gregor erscheint als Schatten hinter einem weißen Tuch. »So verstärkten wir auch die emotionale Trennung der Familienmitglieder vor dem Tuch und dem hilflosen, alten Gregor dahinter. Das Verhältnis untereinander wirkt dadurch noch befremdlicher und steriler«, erklärt Michael Blum.

Beim Umschreiben des Textbuches kam es aufgrund der deftigen Erzählweise Kafkas immer wieder zu Diskussionen unter den Schülern. Meist blieb es aber beim Originaltext. Patrick Schulte ist als Gregors Sohn ein wahres Ekel. »Ich kann aber gut abschalten danach«, erzählt der Nachwuchsschauspieler. »Die Rolle des Bösewichts macht mir nämlich viel Spaß.«

Siglinde Haaf

Artikel vom 24.02.2009
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...