Keine Lösungen bei SPD-Jahreshauptversammlung

Neuperlach · Armut ist Dauerbrenner im 16. Stadtbezirk

Neuperlach · Unter dem Thema »Armut konkret – die Arbeit der Münchner Tafel – auch in Neuperlach« hatte der SPD Ortsverein letzte Woche zu seiner Jahreshauptversammlung (JHV) in das Parkcafè des Horst-Salzmann-Zentrums im Plievierpark eingeladen.

Angekündigt war eine Diskussion über das Thema mit Barbara Gau, die in Neuperlach seit über zehn Jahren für die Münchner Tafel e.V. tätig ist, und der SPD-Bundestagskandidatin und Stadträtin Claudia Tausend, die zu den bundespolitischen Forderungen zur Verringerung der Armut mitdiskutieren würde.

Verstärkung nötig

Eine Diskussion kam allerdings nicht zu Stande. Dabei gaben die aufschlussreiche Vorstellung der Arbeit der Münchner Tafel e.V. speziell in Neuperlach in Zusammenhang mit Ergebnissen aus dem Münchner Armutsbericht 2007 durchaus Diskussionsanstöße: Seit Oktober 1999 gibt die Münchner Tafel e.V. Lebensmittel an Neuperlacher aus. Damals an 30 Bedürftige, heute an 360 Ausweisinhaber, wobei auf jeden Ausweis eine vielköpfige Familie kommen kann. In ganz München werden pro Woche 100 Tonnen Lebensmittel an die 16.000 Bedürftigen verteilt. Diese erhalten in der Regel wöchentlich Brot, frisches Obst und Gemüse sowie Milchprodukte, oft auch Fleisch und Feinkost. Das reicht für Alleinstehende gut eine Woche. In Neuperlach allerdings dürfen sich die Bedürftigen nur alle 14 Tage Lebensmittel holen, erzählte Gau, hier kann die Tafel »leider nur ein Zubrot bieten«. Angesichts der Armutssituation in Neuperlach wäre es aber dringend nötig, die Ausgabe hier zu verdichten. Aber die Münchner Tafel e.V. will die Ausgabe in Neuperlach momentan nicht erweitern. »Wir müssen aufpassen, dass uns die Sache nicht aus den Händen gleitet«, beschreibt Gau die Vorsicht der ehrenamtlich Tätigen. »Die ganze Sache muss organisierbar bleiben. Wir bräuchten dafür mehr Transporter«, erklärte Gau. Mehr wollte sie jedoch nicht sagen.

Der Blick in den zum Jahres-ende vom Sozialreferat vorgelegten Münchner Armutsbericht 2007 zeigt, dass der 16. Stadtbezirk Ramersdorf-Perlach wieder Spitzenreiter in Sachen Armut ist – und das seit 1997. In Ramersdorf-Perlach leben insgesamt 11.500 Arme, es herrscht eine Armutsdichte von 112 pro 1.000 Personen. Der Münchner Durchschnitt liegt bei 62 Armen pro 1.000 Einwohner. Innerhalb des 16. Stadtbezirks gibt es starke Schwankungen. So sind in Neuperlach 144 von 1.000, in Waldperlach hingegen nur 15 von 1.000 Mitbürgern arm. In Altperlach sind 85 von 1.000, in Ramersdorf 92 von 1.000 und in der Balanstraße West 145 von 1.000 arm. Der Münchner Armutsbericht arbeitet mit dem Begriff der »relativen Armut«, entsprechend einer Definition der EU: Von Armut bedroht ist, wer als Alleinlebender weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in seinem Land verdient. Das sind in Deutschland weniger als 781 Euro netto pro Monat.

An den Wurzeln packen

Generell ergibt sich, dass Arme verhältnismäßig höhere Mieten für schlechteren Wohnraum zahlen, häufiger an chronischen Krankheiten leiden, gesellschaftlich mehr ausgegrenzt sind und ein deutlich niedrigeres Bildungsniveau haben. Hier setzt der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Kurt Damaschke an: »Armutsvermeidung über Bildung, der alte SPD-Oberangriff« soll helfen. »Die Sprachförderung muss so früh wie möglich begonnen werden, möglichst im Kindergarten, damit sich die Probleme später nicht häufen«, sagte er gegenüber dem Südost-Kurier. Insgesamt müssen die »Bürokraten mehr Vertrauen in die Erfahrung und Fachlichkeit vor Ort haben«, sagt Damaschke und nennt als Beispiel die »Junge Arbeit Neuperlach e. V.« (JAN) und ihre Projekte für junge Menschen ohne Ausbildungsbefähigung, bei denen vielfach mit im Stadtteil ansässigen Firmen kooperiert wird.

Verstärkte Sozialarbeit

Auch solle »die Sozialarbeit im Quartier sowie die aufsuchende Arbeit verstärkt werden«. Man müsse zu den Armen gehen, die zunehmend vereinsamten, immer weniger soziale Kontakte hätten und oft nicht wüssten, wie sie an Hilfen ran- und aus der Situation rauskommen könnten, sieht Damaschke als Knackpunkte. Daher fordert er die »Qualifizierung und Verbesserung der Bewohnerzentren (BWZ) und Nachbarschaftshilfe, beispielsweise bessere Räume für die BWZ im Sudermannzentrum oder überhaupt mal so etwas im Karl-Marx-Zentrum«.

Entsprechende Projekte für Hilfen gegen die Armut liegen bereits als Antrag beim Bezirksausschuss oder Stadt-rat vor, weitere ließen sich überlegen. Was bleibe sei die Notwendigkeit, engagiert anzupacken, um Lösungen zu finden: in Politik, Ehrenamt und Diskussion. So, wie sich ein SPD-Mitglied am Abend der Jahreshauptversammlung spontan um ehrenamtliche Mitarbeit bei der Münchner Tafel e.V. bewarb

Angela Boschert

Artikel vom 04.02.2009
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