Für die Umwelt: Alles auf Anfang in Sachen Landschaftspark statt Deponie

Münchner Norden · Um Jahre zurückgeworfen

Teilweise ist die Deponie Nord an ihrer Oberfläche fast schon ein »Park«, wie Dipl.-Ing. Franz Landes zeigt – doch die verkalkten Abwasserleitungen darunter werfen die Landschaftsplaner um Jahrzehnte zurück.	 Fotos: em

Teilweise ist die Deponie Nord an ihrer Oberfläche fast schon ein »Park«, wie Dipl.-Ing. Franz Landes zeigt – doch die verkalkten Abwasserleitungen darunter werfen die Landschaftsplaner um Jahrzehnte zurück. Fotos: em

Münchner Norden · »Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt …« Vielleicht wird in 20 Jahren der Umgang mit der eigenen Geschichte so unbelastet sein, dass man die Hymne der ehemaligen DDR wieder singen mag – angesichts eines neuen Stücks Landschaftspark, dort, wo jetzt noch die Deponie Nord liegt.

Und wo seit Montag dieser Woche 5,2 Hektar Baumbestand gefällt werden – als erster Schritt auf einem langen Weg, von der Klärschlammdeponie zu einem Landschaftspark. Bei dem kommt man hoffentlich in 20 Jahren an, ohne sich Sorgen machen zu müssen, was sich über vier Meter unter den Füßen befindet.

Zum Vorreiter in Sachen Umweltschutz will die Münchner Stadtentwässerung auf diesem Weg werden – und muss dafür Neuland betreten. Wie schon einige Male zuvor. So 1982, als man den im Klärwerk Großlappen anfallenden Klärschlamm aufgrund des Cadmiumgehalts nicht länger als Ödland-Dünger benutzen konnte und daher beschloss, ihn auf der Deponie zu »entsorgen«. Das Problem dabei: Klärschlamm besteht zu 98 Prozent aus Wasser, ist daher nicht beliebig stapelbar. Die Lösung: Der Klärschlamm wurde zu fast gleichen Teilen mit Kalk versetzt. Die Folge: Ein neues Problem.

Sickerwasser, das als Niederschlag in die Deponie dringt, muss durch Drainageleitungen wiederum zum Klärwerk geleitet werden. Vor etwa zehn Jahren ergaben Messungen der Stadtentwässerung, dass, verglichen mit dem niedergegangenen Regen, im Klärwerk aber viel zu wenig Sickerwasser ankommt. Mit anderen Worten: Es staut sich in der Deponie, und die Betonwanne, die den Inhalt zusammenhält, drohte überzulaufen. Der Grund: Die Drainagerohre waren von Kalkausfällungen aus dem gehärteten Schlamm verstopft und boten ein Bild zusammenwaschsender Tropfsteinhöhlen. Um drei bis vier Zentimeter wächst die Kalkschicht jedes Jahr. Jährliche Hochdruck-Wasserspülungen haben kaum eine Besserung bewirkt. Zur Zeit sorgen stark säurehaltige Spülungen dafür, dass die Leitungen nicht völlig verstopfen. Doch wie Sichtungen mit ferngesteuerten Kameras zeigen, verschlechtert sich der Zustand weiterhin kontinuierlich.

Seit 1998 wird der Klärschlamm nun nicht mehr deponiert, sondern verbrannt – und die Asche wegen ihres Phosphatgehalts auf der Deponie gelagert. Doch der im Deponat enthaltene Kalk würde noch für Ausfällungen in »mehreren hundert Jahren« reichen, berichtet Franz Landes, Sachgebietsleiter der Abteilung Klärwerksbau bei der Münchner Stadtentwässerung. Selbst neue Leitungen, deren Einbau mindestens 30 Millionen Euro kosten würde, wären also keine Lösung, denn sie müssten dauerhaft ebenso aufwendig und uneffektiv von ständig neuen Kalkschichten befreit werden, wenn die Deponie-Wanne nicht doch eines Tages überlaufen soll.

Daher haben sich Landes und seine Kollegen nach umfangreichem Expertenrat dazu entschieden, die Deponie mit einem ganz neuen, 40 Millionen Euro teuren Konzept zu schließen – so, dass in Zukunft kein weiteres Sickerwasser mehr von oben eindringen kann. Dafür muss jetzt auch die Erde des bereits wieder begrünten und bewaldeten Teils bis auf die Höhe des gelagerten Deponats abgetragen werden, um darauf zunächst eine höhenausgleichende Schicht aus der Klärschlammasche aufzutragen. Darauf werden verschiedene Dichtungsschichten aus Kies, Bentokies und einem Geotextilstoff folgen, der Feinstteile aus der jeweils darüber liegenden Schicht zurückhält und mit der Ansammlung dieser Teile unter anderem auch für »Selbstheilung« bei etwaigen Rissen in der Bentokiesschicht sorgt.

Bentokies besteht aus Kies und Sand, dem außer Wasser Tonmehl und besonders quellfähiges Bentonit zugemischt werden. Die Poren des Bentokies schließen sich bei Wasserzutritt durch das Aufquellen des Bentonit, und es ist besonders verformungssicher und standfest. Doch in der Abdichtung von Oberflächen wie der der Deponie gilt bisher ein anderer Standard: Kunststoffdichtungsbahnen.

Bentokies statt Kunststoff erstmals auch für diese Zwecke zu verwenden, ist für Landes eine Frage der »Nachhaltigkeit für hunderte von Jahren«, wie er betont. Es sei zunächst auch nicht einfach gewesen, das Landesamt für Umweltschutz zu überzeugen. Doch 2010, nach den Rodungs- und Abtragsarbeiten für die ersten beiden Bauabschnitte, können schließlich die ersten Lagen aufgetragen werden. Und noch etwas wird gegenüber bisherigen Deponiestilllegungen anders sein bei diesem zukünftigen Landschaftspark. Die sogenannte »Rekultivierungsschicht« über den diversen Abdichtungslagen ist bisher üblicherweise zwei Meter hoch.

Doch wie tief darauf wachsende Bäume tatsächlich wurzeln, wurde noch nie untersucht. Bis jetzt. Und nachdem die Stadtentwässerung diese Untersuchung in Auftrag gegeben hat, wird die Rekultivierungsschicht hier nun drei Meter hoch sein. Gut möglich also, dass München in mehrfacher Hinsicht neue Standards in Sachen Umweltschutz setzt, bei der Verwandlung der Deponie Nord in einen Landschaftspark. Sehen wird man das in 20 Jahren nicht – ausschauen wird das Gelände weitestgehend so, wie es die Landschaftsarchitekten Ruoff bereits in den achtziger Jahren erarbeitet haben. Nur etwa zwei Jahrzehnte später als geplant.

E. Mäkler

Artikel vom 03.02.2009
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...