Die maroden Mauern verlassen: Ein letzter Gang durch das Gefängnis am Neudeck

Au · Ein Knast zieht um

Das Frauengefängnis Neudeck am Auer Mühlbach gehört bald der Vergangenheit an: Im Mai ziehen Gefangene und Beamtinnen in ein neues Gebäude an der Stadelheimer Straße. Eine Nachnutzung der sanierungsbedürftigen Räume ist noch ungewiss. Foto: ko

Das Frauengefängnis Neudeck am Auer Mühlbach gehört bald der Vergangenheit an: Im Mai ziehen Gefangene und Beamtinnen in ein neues Gebäude an der Stadelheimer Straße. Eine Nachnutzung der sanierungsbedürftigen Räume ist noch ungewiss. Foto: ko

Au · Ein Stockbett, am Fußende mit Kritzeleien beschmiert. Ein schmales Holzbrett ragt als Tisch in den Raum. Ein Klo in der Ecke, abgetrennt nur durch einen fadenscheinigen Frotteevorhang, der bestenfalls für zweifelhafte Diskretion der Nutzerin sorgt. So sehen die maroden Hafträume in der mittlerweile heruntergekommenen Justizvollzugsanstalt (JVA) Neudeck aus.

Beamtinnen und Gefangene müssen nicht mehr lange in dem rund 100 Jahre alten Gemäuer am Auer Mühlbach ausharren. Denn im Mai zieht der komplette Knast in ein neues eigenes Haus an der Stadelheimer Straße um.

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Mariona Hauck, Abteilungsleiterin im Frauengefängnis Neudeck und Juristin, ist erleichtert, dass der Umzug nun unmittelbar bevorsteht, denn das bedeute endlich bessere Haft- und Arbeitsbedingungen. Das größte Problem in Neudeck sei der Platzmangel und der veraltete Zustand, sagt Hauck. Momentan »sitzen« 73 Frauen bei insgesamt 74 Plätzen. Bei einer Notbelegung könnten sogar bis zu 110 Personen untergebracht werden. Eine weitere Frage, die sich angesichts des vorsintflutlichen Gebäudes, das früher einmal ein Kloster war, stellt, ist die nach ausreichender Sicherheit. Mariona Hauck sagt zwar, die sei »ausreichend, wenn auch nicht auf dem neuesten Stand«. Jüngst ist allerdings das Fenster eines unbelegten Haftraumes einfach aus dem Rahmen gefallen.

Auch wenn der Aufenthalt im Gefängnis seinen guten Grund hat und kein Zuckerschlecken sein soll, ist das Innere des Baus extrem trostlos. Überheizte Trakte und zugige Durchgänge. Es riecht nach Essen, das in riesigen Thermobehältern aus Stadelheim geliefert wird, und nach Desinfektionsmittel. Jeder Bereich wird gesondert aufgesperrt, die Gitter an allen Fenstern erinnern jederzeit, wo man sich befindet. Mariona Hauck führt mit dem gezückten Schlüssel am klimpernden Bund über die Flure mit den schweren Stahltüren der Zellen.

Ein Schild an jeder Tür gibt Auskunft über die Gefangene, die darin untergebracht ist: Name, Besonderheiten bei der Essensausgabe und ob sie einer Tätigkeit nachgeht. Neudeck hat eine eigene Näherei, in der sich manche der Frauen ein paar Euro verdienen können. Es gibt zu wenige Arbeitsplätze für die Gefangenen, von denen sich die meisten gerne verdingen würden. Fast alle Frauen tragen Gefängniskleidung, obwohl sie ihre eigenen Sachen anziehen dürften. »Das liegt wahrscheinlich daran, dass deren Männer es nicht schaffen, alle 14 Tage genau abgezählt für zwei Wochen frische Wäsche zu bringen«, vermutet Mariona Hauck. In Stadelheim, wo nur Männer einsitzen, sehe die Sache anders aus. Außen vor beim Tragen eigener Kleidung sind in Neudeck die Frauen, die gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen haben. »Bei ihnen besteht die Gefahr, dass sie versuchen, in die Kleidung eingenähte Drogen in das Gefängnis einzuschmuggeln«, sagt Hauck.

Bayernweit sind rund 12.500 Gefangene im Vollzug, ungefähr 800 davon sind Frauen. In Neudeck befinden sich insgesamt etwas über 120 Haftplätze, die der Frauenabteilung und die der Jugendarrestanstalt, die im gleichen Gebäude untergebracht ist. Die Frauen verbüßen in der Regel Untersuchungs- und Kurzstrafhaften im Erstvollzug. Der Jugendarrest gliedert sich in Freizeit- und Kurzarrest sowie Dauerarrest. Ein Zuchthaus, das früher an der Stelle Neudecks stand, wurde abgerissen, nachdem die Häftlinge im Jahr 1901 nach Straubing verlegt wurden. Zwischen 1902 und 1904 entstand das heutige Gebäude.

Kirsten Ossoinig

Artikel vom 20.01.2009
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