Wertvolles Schmuckstück unter Denkmalschutz

Geiselgasteig · Der Geiselgasteig – gestern und heute

Eine der prächtigsten Villen im Geiselgasteig stammt aus dem Jahr 1910 und ist im Besitz der Familie Lindner. Foto: mst

Eine der prächtigsten Villen im Geiselgasteig stammt aus dem Jahr 1910 und ist im Besitz der Familie Lindner. Foto: mst

Geiselgasteig · Er leitete 18 Jahre lang als Bürgermeister die Geschicke der Gemeinde Grünwald, war von 2002 bis zum März diesen Jahres stellvertretender Landrat – und dürfte den Ortsteil Geiselgasteig so gut kennen wie kaum ein anderer.

Die Rede ist von Hubertus Lindner, dessen Familie 1919 vom Oberfränkischen in die damals noch kleine Isartal-Gemeinde zog und das Haus mit Jugendstil-Elementen von einer italienischen Adligen, einer gewissen Baronesse Trentini, kaufte. Lindner erinnert sich noch gut an den Tag, als die ehrwürdige Dame ihren Vater geradezu verzweifelt bat, das Anwesen mit dem mehrere Tausend Quadratmeter umfassenden Grundstück zu erwerben.

Oft genug hat ihm sein Vater Otto Lindner, der Chemiker war und 1955 starb, die Geschichte ja erzählt. »Es waren die unruhigen Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, die Zeit der Räterepublik und der Revolutionswirren, in München wurde geschossen, es herrschten anarchische Zustände. Da hat es die Dame wohl mit der Angst zu tun gekriegt und wünschte sich nichts sehnlicher, als das deutsche Reich endlich zu verlassen.« Es war allerdings nicht »irgendein« Besitz, den sie da losschlagen wollte, sondern ein Gebäude, das seinerzeit zu den luxuriösesten in ganz München und Umgebung gehört haben dürfte: 1910 von dem Architekten Brüchle erbaut, verfügte es über zahlreiche Wohn- und Schlafräume, mindestens vier Bäder, jede Menge sanitäre Einrichtungen, einen Keller mit Bügel-, Wasch- und Stauräumen, fürstliche Treppengeländer, einen riesigen Park und – für die damalige Zeit geradezu sensationell – sogar eine zentrale Staubsaugeranlage. Diese war im Keller installiert und stellte über verschiedene Schläuche eine Verbindung zu den jeweiligen Zimmern her, »so dass man sie reinigen konnte wie mit einem modernen Staubsauger«. Im Winter dürfte das Haus so gut beheizt gewesen sein wie heute, da es eine mit Koks betriebene Zentralheizung gab.

Otto Lindner, der aus Oberfranken kam und sich eigentlich am Tegernsee niederlassen wollte, zögerte nicht lange: »Es gab damals einen Generalstreik, kein einziger Zug fuhr mehr nach Oberbayern. Da hat ein Immobilienmakler meinem Vater geraten, sich doch in Grünwald niederzulassen. Die Trambahn, die Grünwald mit München verband, war noch intakt.

Mein Vater war auf den Schlag begeistert«, schildert Lindner weiter. Das Haus wurde durch fünf Kinder, die alle in ihm das Licht der Welt erblickt haben, schon in kurzer Zeit bevölkert. »Es war schnell zu einem Zentrum des Familienglücks geworden, meine Eltern nannten es liebevoll ›unser Geisuml‹, erzählt Lindner. Überhaupt schien eine schützende Hand über dem Anwesen an den Isarabhängen zu liegen: Die Angriffe im Zweiten Weltkrieg überstand es nahezu unbeschadet. Einmal war eine Brandbombe auf das Haus abgeworfen worden, doch glücklicherweise verhakte sich der Propeller, der das mit Phosphor und Zündsatz bestückte Gefäß zielgenau platzieren sollte, an der Dachrinne, so dass das Geschoss quer auf der Erde landete – und wie durch ein Wunder nicht explodierte.

»Sonst wären sicher weite Teile in Schutt und Asche gelegt worden.« Im April 1945, kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, wollten die Nazis auf dem Dach noch einen Gefechtsstand einrichten, um die anrückenden Siegermächte aufzuhalten. »Das war eine Tat verzweifelter Verrücktheit, doch Gott sei Dank waren die Amerikaner schon früher da, so dass es nicht zu dieser Belagerung kam.«

Doch die Lindners mussten den Amerikanern das Haus überlassen, sieben Jahre lang verkehrten dort Fremde, bis die siebenköpfige Familie wieder zurückkehren durfte. Seitdem hat sich wenig verändert in dem Haus, das zu Beginn der 90er-Jahre sogar unter Denkmalschutz gestellt wurde. 1960 und später noch erfolgten innen einige Sanierungsmaßnahmen, inzwischen ist es an mehrere Parteien vermietet, so dass Hubertus Lindner mit seiner Frau nur noch die Zimmer im Erdgeschoss bewohnt, das früher »Hochparterre« genannt wurde. Noch immer hängen in der »Jägerstube« im Eingangsbereich die Jagdtrophäen, die sein Vater seinerzeit geschossen hatte.

mst

Artikel vom 30.12.2008
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