Das Bichl-Anwesen hat eine lange Geschichte und vielleicht sogar Geister

Aying · 425 Jahre Geschichte unter einem Dach

Josef Strauß ist stolz auf das Haus seiner Familie, das 425 Jahre alt ist. Foto: Schunk

Josef Strauß ist stolz auf das Haus seiner Familie, das 425 Jahre alt ist. Foto: Schunk

Aying · Das alte Bauernhaus an der Münchner Straße in Aying hat schon viel erlebt. Als es erbaut wurde, hatte Europa gerade erst das finstere Mittelalter hinter sich gelassen. Auf 1583 datiert der erste Eintrag des »Bichl-Hofs« in der Ayinger Kirchenchronik. Das Haus könnte also auch noch älter sein als die 425 Jahre, die es in diesem Jahr schreibt.

425 Jahre, eine stolze Zahl für ein Holzhaus. Es ist nachweislich das älteste noch bewohnte Haus im südlichen Landkreis, wie Josef Strauß zu berichten weiß, der in dem historischen Holzhaus aufgewachsen ist. Seit 19 Generationen lebt die Familie Strauß in diesem Haus. Damals hat die lange Historie seines Elternhauses noch keine so große Rolle für ihn gespielt. Denn das Leben auf dem Kleinhäuslerhof war vor allem von einem geprägt: Arbeit. Damals lebten noch Kühe und die eine oder andere Sau auf dem Anwesen. Inzwischen hat Strauß die Landwirtschaft komplett eingestellt. »Das macht doch bloß Arbeit«, sagt er. Und davon hat Vater Strauß auch ohne Viecher genug. In dem alten Bauernhaus fallen ständig Bauarbeiten an. Die alte Tenne und den Stall hinter dem Haus hat er für sich und seine Familie umgebaut, in dem alten Holzhaus an der Straße lebte bis vor einigen Jahren noch sein Vater. Nun wohnt Tochter Karin in dem rustikalen Schmuckstück, wo das Bad einst ein Ziegenstall war und der Dachstuhl ein Heuschober. Vater Strauß kann sich noch gut an die Zeiten erinnern, als Mensch und Tier noch unter einem Dach lebten. Als Kind hat er sich immer mit dem Gewehr auf die Lauer gelegt, um die Ratten kalt zu stellen, die sich in den Zwischenwänden eingenistet hatten. »Hab’ aber nie eine erwischt«, lacht Strauß. Es gab sogar Zeiten, in denen die Pest in dem Haus gewütet hat, aber das ist schon lange her.

Trotz all der Arbeit ist Familie Strauß selbstverständlich stolz auf das alte Bauernhaus und seine solide Bauweise, dank derer das Holzhaus all die Jahre unbeschadet überdauert hat. Es besteht aus bei Mond geschlagenem Fichtenholz. Die massiven Bohlen werden von Nägeln aus Lärchen- und Kirschholz zusammengehalten. Zur Isolierung der Wände verwendeten die damaligen Baumeister Moos, das auch nach über 400 Jahren immer noch grün ist, wie Strauß bei einer der unzähligen Renovierungsmaßnahmen herausfand. »Die wussten, was sie gemacht haben. Von denen kann man noch was lernen«, sagt Strauß bewundernd über die Handwerkskunst seiner Altvorderen. Aber auch er ist handwerklich sehr begabt – zwangsläufig. Denn professionelle Handwerker braucht man für so ein altes Gemäuer erst gar nicht rufen. »Die trauen sich da eh nicht ran«, weiß Strauß, der Holzkaufmann dem schon so manche fachfremde Herausforderung ins Haus stand. »Allein die Elektrik«, seufzt Maria Strauß.

Das ganze Haus musste sicher verkabelt werden. Aber ihr Mann weiß sich zu helfen. »Ma braucht hoid a Fantasie und a G’spür«, sagt Strauß. Um beispielsweise die ständig faulenden Zaunpfosten ein für alle mal trocken zu bekommen, hat er Baumstämme mit Beton ausgegossen. Denn es soll schon noch alles so aussehen, wie anno dazumal. Die Familie Strauß ist im Ort Aying sehr verwurzelt. »Aber wir sind keine Vereinsmeier«, sagt Maria Strauß. Vom Urgroßvater bis um Vater Strauß waren alle Postler in Aying. Die Brüder seines Urgroßvaters hingegen hatten sich fast alle dem großen Abenteuer verschrieben. Von dieser »Seefahrer-Generation« gibt es im Haus auch noch einige Relikte. Geschenke aus fernen Ländern, seltene Mitbringsel, ein Krummdolch. Ein anderer Großonkel war zu Beginn des letzten Jahrhunderts nach Japan emigriert. Als er nach Aying zurückkam, erklomm er den Balkon seines Elternhauses, um den eilig zusammengelaufenen Ayingern von seinen Erlebnissen in Fernost zu berichten. Dieser üppige mit Geranien doppelstöckige Balkon ist das Aushängeschild des Strauß’schen Anwesens. »Unsers ist das meistfotografierte Haus in Aying«, da ist sich Maria Strauß sicher. Die Neugier von Touristen und Spaziergängern kennt dabei keine Grenzen. Ungeniert haben die Leute der Familie früher als es noch keinen Zaun gab in die Stube geschaut. Was sie dabei sicher nicht gesehen haben, sind die Geister der vergangenen Jahrhunderte.

Eine Frau mit übersinnlichen Fähigkeiten hat Maria Strauß unlängst erst bestätigt, dass es in ihrer Stube vor alten Seelen nur so wimmelt. »Aber gemerkt hab ich noch nix davon«, lacht Strauß. Was nicht heißt, dass es diese Geister nicht gibt.

ekg

Artikel vom 10.12.2008
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