Analyse der Schulsituation in Bayern auf der Jahreshauptversammlung

Freising · BLLV in Freising ehrt und klagt an

Der BLLV in Freising ehrte seine langjährigen Mitglieder – und die Vorsitzende, Kerstin Rehm (sitzend, rechts) rechnete mit der Schulpolitik der bayerischen Landesregierung ab.Foto: BLLV

Der BLLV in Freising ehrte seine langjährigen Mitglieder – und die Vorsitzende, Kerstin Rehm (sitzend, rechts) rechnete mit der Schulpolitik der bayerischen Landesregierung ab.Foto: BLLV

Freising · Die Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands in Freising, Kerstin Rehm, hat auf der Jahreshauptversammlung des BLLV Freising den Lehrermangel als »das beherrschende Thema an den Schulen« bezeichnet: »Nach unseren Berechnungen addiert sich der Lehrermangel an allen Schularten für die Deckung des Ersatzbedarfs, die Vermeidung von Unterrichtsausfall und dringend erforderlichen Reformen bis zum Jahr 2010 auf rund 20.000 Lehrkräfte.«

Rehm forderte die Staatsregierung auf, dem Problem höchste Priorität einzuräumen. »Die Situation an den Schulen muss schleunigst verbessert werden. Ein ›Weiter so‹ darf es in der Schulpolitik nicht geben. Wer mit guter Bildungspolitik punkten will, muss ordentlich Geld in die Hand nehmen. Der einzige Weg aus dem Dilemma: Der Lehrerberuf muss attraktiver werden.«

Allein an den bayerischen Hauptschulen sei mit einem Mangel von rund 3.300 Lehrkräften zu rechnen. Der Ersatzbedarf an Lehrern könne nicht gedeckt und die für den Ausbau gebundener Ganztagesklassen notwendigen Stellen nicht geschaffen werden. Rehm erinnerte daran, dass der Schulversuch »Ganztagsklassen an Hauptschulen« mit 19 zusätzlichen Lehrerstunden begonnen habe, trotz heftiger Proteste aber auf zwölf zurückgefahren worden sei. »Wir halten an den 19 Wochenstunden fest, woraus sich ein Mehrbedarf an 1.470 zusätzlichen Lehrern ergibt«, rechnete Rehm vor.

»Entwarnung« gebe es auch nicht für die bayerischen Grundschulen; der Mangel an Lehrerinnen und Lehrern belaufe sich dort bis in zwei Jahren auf 2.240 Stellen. Anders als bei den Gymnasial-, Real- und Hauptschullehrern, gebe es aber ausreichend Bewerber. In diesem Jahr hätten sich 1.735 junge Lehrerinnen und Lehrer an bayerischen Grundschulen beworben, nur 765 von ihnen seien im September eingestellt worden, weitere 150 im November. »Die Situation an den bayerischen Grundschulen hat sich nicht verbessert. Der Ausbau der Ganztagsgrundschulen wurde gestoppt, früher gestrichene Unterrichtsstunden nicht zurückgegeben«, klagte die Vorsitzende.

Die Einführung jahrgangskombinierter Klassen bezeichnete sie als »Kosmetik«, die den Lehrermangel an Grundschulen kaschieren solle. Rehm forderte die Staatsregierung auf, die Unterrichtsversorgung nicht länger vom Improvisationsgeschick einzelner Schulleiter und »dem idealistischen Einsatz unzähliger Lehrerinnen und Lehrer« abhängig zu machen. Wie sich gezeigt habe, lösten Seiteneinsteiger das Problem nicht. Für Bewerber aus der Wirtschaft sei der Lehrerberuf meist uninteressant. So seien Umschulungsangebote fehlgeschlagen. Der Versuch, Lehrer mit Hilfe von Zeitarbeitsfirmen zu rekrutieren, sei fragwürdig und habe nicht funktioniert. Rehm fand deutliche Worte: »Qualität von Schule lässt sich auf diese Weise nicht sicherstellen. Es kann nicht sein, dass der Unterricht von Aushilfen wie Pensionisten, Hausfrauen oder Abiturienten bestritten werden muss!«

Es gebe nur einen Weg aus dem von Rehm konstatierten Dilemma: Der Lehrerberuf müsse attraktiver werden. In Zukunft sollten Lehrer in der Sekundarstufe alle Schüler der Jahrgangsstufen 5 bis 10 unterrichten können und flexibel einsetzbar sein. Um die Arbeitsbedingungen aller Lehrerinnen und Lehrer zu verbessern, müssten die Klassen kleiner und mehr unterstützendes Fachpersonal wie Schulsozialarbeiter, Schulpsychologen und Förderlehrer bereitgestellt werden. Schulabgänger, die sich für ein Lehramtsstudium entschieden, bräuchten neben der Aussicht auf eine gerechte Bezahlung auch ein gewisses Maß an Planungssicherheit und Aufstiegsmöglichkeiten. »Nur so kann langfristig dafür gesorgt werden, dass sich fähige junge Menschen für den Lehrerberuf entscheiden«, meinte die Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands in Freising.

Auf der Jahresversammlung fand auch eine Tombola zu Gunsten der BLLV-Kinderhilfe in Südamerika statt. Dafür kamen insgesamt 350 Euro zusammen. Einen Höhepunkt der Veranstaltung bildete auch die Ehrung langjähriger Mitglieder.

Artikel vom 09.12.2008
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