»Max und Moritz« & Co – 2008 mindestens so gut wie vor hundert Jahren

Am Hart · Jerzy Montag und die Bernays-Schüler

Zwei »Künstler« mit Ausdruckskraft: Die 14-jährige Lezli als »Witwe Bolte« und Jerzy Montag (Bündnis 90/ Grüne).Foto: em

Zwei »Künstler« mit Ausdruckskraft: Die 14-jährige Lezli als »Witwe Bolte« und Jerzy Montag (Bündnis 90/ Grüne).Foto: em

Am Hart · »Max und Moritz« – was soll das denn … Viele Schülerinnen und Schüler der Hauptschule an der Bernaysstraße dachten sich das. Vorher. Sofern sie »Max und Moritz« überhaupt kannten. Hinterher waren sie einfach nur noch begeistert. Um den bundesweiten Vorlesetag am 20. November, veranstaltet von »Die Zeit« und der »Stiftung Lesen«, ging es.

Dazu hatte die Schule den Bundestagsabgeordneten Jerzy Montag (Bündnis 90 / Grüne) eingeladen. Und ihm vorgeschlagen, anlässlich des 100. Todesjahres des Autors Wilhelm Busch aus »Max und Moritz« vorzulesen – ungewohnte Lektüre für die Schüler des 21. Jahrhunderts.

Doch trotz anfänglicher Skepsis klappte das Experiment hervorragend. Schulleiter Sven Friedel eröffnete die Veranstaltung natürlich mit ein bisschen Nachhilfe: Jerzy Montag ist Politiker, die haben’s nicht immer leicht. Viele Münchner haben ihn gewählt, damit er für sie im Bundestag – wo ist der? – Richtig, in Berlin – Politik macht. Er ist aber auch oft in München, um zu sehen, was die Leute hier machen und was sie brauchen … Die Schule braucht übrigens dringend eine Mensa. Und schon richtete sich die Nachhilfe an den Politiker.

Der quittiert’s mit einem Lächeln, konzentriert sich auf die Schüler. Der rechtspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Grüne nimmt seine Aufgabe gewissenhaft war: Er liest konzentriert, fast überdeutlich aus »Max und Moritz«. Doch spätestens, als die 14-jährige Lezli seine Neugier weckt, wie sie ihn während des Lesens als ausdrucksstarke »Witwe Bolte« umkreist, wird aus der Pflichtübung ein lustvolles Spielen mit den immer wieder auftauchenden jungen »Schauspielern« um ihn rum und mit den Kindern im Publikum.

Mit bestimmt oft schwer zu bändigenden Pubertierenden aus dem Jahr 2008, denen immer wieder bei diesem Vortrag von »Max und Moritz« der Mund offen steht. Mit Hauptschülern, die sich nach seinem Auftritt darum reißen, ihn auch noch in die Schulbibliothek begleiten zu können, wo er viele vom Verein »Lesefüchse« empfohlene Bücher als Spende zurücklässt. Die sich dicht um ihn drängeln und ihrer elfjährigen Mitschülerin Betül zustimmen, als sie zu ihm geht und ganz einfach sagt: »Danke fürs Lesen!« Die Begeisterung ist gegenseitig – und so überrascht Jerzy Montag den Schulleiter, als er dessen als Lob ausgesprochene Einladung, er könne »immer wieder« zum Lesen kommen, aufgreift: »Ich kommer gerne wieder. Aber dann lese ich euch aus meinem Lieblingsbuch vor!«

Welches das ist, hat er kurz zuvor der Münchener Nord-Rundschau verraten: »Charlie und die Schokoladenfabrik«. Er hat es gelesen, als es für ihn noch keine Pflichtlektüre aus Paragraphentexten gab. Die Erinnerung daran lässt Jerzy Montag so sprudeln beim Erzählen, dass er sie ganz abstreift, die Politikerhaut. Was für eine Zauberkraft Bücher haben … immer noch. Eva Mäkler

Artikel vom 25.11.2008
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...