Kinder aus dem Hasenbergl hören Geschichten

Hasenbergl - Vorlesen macht schlau

Lesestunde mit Gaby Bartolomeo: Die Schüler der Grundschule an der Paulckestraße lauschen gespannt den Geschichten der Vorleserin. Foto: sm

Lesestunde mit Gaby Bartolomeo: Die Schüler der Grundschule an der Paulckestraße lauschen gespannt den Geschichten der Vorleserin. Foto: sm

Ganz eng versammeln sich Alina, Enbiya, Leon, Yasar, Khadidja und Ilaida um die Vorleserin und das Buch in ihrem Schoß. Obwohl die Kinder die Geschichte von Pippi Langstrumpf erzählt bekommen und zuhören völlig ausreichen würde, wollen sie möglichst nah am Geschehen sein. „Am liebsten möchte jedes Kind neben mir sitzen, um den besten Blick ins Buch zu erhaschen“, sagt Gaby Bartolomeo, die jede Woche an die Grundschule an der Paulckestraße kommt und den Kindern der Ganztagsklasse vorliest.

„Auch wenn die Zeit manchmal knapp ist, aber die Lesestunde erfüllt meinen Tag“, sagt die selbstständige PR-Managerin. Die 47-Jährige ist eine der insgesamt 220 ehrenamtlichen Vorleser beim Münchner Verein Lesefüchse, der am Donnerstag seinen fünften Geburtstag feierte. Die erste Lesestunde fand 2003 ebenfalls in der Grundschule im Hasenbergl statt. Inzwischen kamen 16 Münchner Schulen und 18 Stadtbibliotheken dazu. „Über 1.000 Kinder bekommen jede Woche von uns Geschichten vorgelesen“, sagt Helga Wolf, Gründerin und Vorsitzende der Lesefüchse.

In erster Linie will der Verein Kinder mit Migrationshintergrund und aus sozial, benachteiligten Familien für Bücher begeistern. „Viele Eltern sehen die Bibliothek als Hürde, meist aufgrund sprachlicher Defizite. Damit auch diese Kinder nicht ohne Geschichten aufwachsen müssen, haben wir uns die Lese- und Sprachförderung zum Ziel gesetzt. Und wie nebenbei werden Zuhören und Kommunikationsfähigkeit trainiert“, erklärt Wolf.

Vorlesen schule außerdem die Geduld und Konzentrationsfähigkeit der Kinder, so dass ihnen das Lernen leichter fällt. Ihre Aussichten auf eine erfolgreiche Schul- und Ausbildungszeit seien dadurch erhöht. Das Engagement der Lesefüchse drehe sich deshalb letztendlich um mehr Chancengleichheit für Kinder.

Auch Kinderbuchautor Paul Maar, der mit seinen Geschichten vom Sams bekannt wurde, ist fest davon überzeugt, dass er ohne der erzählten Geschichten seiner Großmutter nicht das lesebegeisterte Kind geworden wäre „und wahrscheinlich auch kein Autor. Ich kann mir nämlich kaum ein Kind vorstellen, das zum Lesen findet, aber noch nie eine Geschichte erzählt bekommen hat. Man muss sich bewusst machen, dass es ja erst einmal gar nicht wissen kann, was das ist: eine Geschiche.“ Auf dieses Zitat von Maar stößt man auf der Homepage der Münchner Lesefüchse.

Vor allem an Münchner Grundschulen sind die Lesefüchse aktiv, aber sie lesen auch einigen Fünft- und Sechstklässlern regelmäßig Geschichten vor. Die wöchentlichen Vorlesestunden finden entweder in Form von freiwilligen Lese-AGs an unterrichtsfreien Nachmittagen oder im Rahmen des Unterrichts in Ganztagsklassen statt. Die Schüler sind in kleine Gruppen mit vier bis sieben Kindern pro Vorleser aufgeteilt. „Wir halten die Gruppengröße bewusst klein, damit jedes Kind soviel Aufmerksamkeit wie möglich bekommt“, erklärt Wolf.

Gaby Bartolomeo ist erst seit diesem Schuljahr dabei und sieht sich bereits nach Verstärkung für die Lesefüchse um. „Vor allem junge Männer möchte ich an den Start bringen, da ist der Bedarf noch besonders groß“, sagt Bartolomeo, die mit ihren 47 Jahren zu den jüngeren Vorlesern zählt.

Vorlesen kann jeder

Bei den Lesefüchsen könne jeder mitmachen, der genügend Zeit und Liebe mitbringt und beides den Kindern geben möchte. Geeignete Geschichten gibt es viele, auch Sachbücher stoßen zunehmend auf Begeisterung. Der achtjährige Yasar mag am liebsten Abenteuergeschichten, neuerdings findet er auch Detektivgeschichten spannend. Sein Lieblingsbuch ist aber immer noch Pippi Langstrumpf. „Ich mag Pippi, sie ist so ein starkes Mädchen, und lustig ist sie auch”, meint Yasar. „Und sie spricht mit Affen“, ergänzt Alina. Für Gaby Bartolomeo ist das Schönste an den Vorlesestunden die Freude und Dankbarkeit der Kinder. „Auch Kids mit rauer Schale sind in Wirklichkeit sehr sensibel“, betont sie. Nach der Vorlesestunde stecken ihr die Schüler gerne kleine Liebesbotschaften und selbstgemalte Bilder zu. „Und Leon lässt es sich nicht nehmen, mir nach jeder Stunde meine Handtasche und die schwere Büchertasche bis zum Ausgang zu tragen.“ Von Stefanie Moser

Artikel vom 13.11.2008
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