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70. Jahrestag »Reichskristallnacht«: Gedenkveranstaltung am 9. November
Harlaching · Jeder Mensch hat einen Namen
In ganz Deutschland wurden jüdische Gotteshäuser in Brand gesetzt, wie die Münchner »Ohel Jakov«-Synagoge in der Herzog-Rudolf-Straße 3. Foto: Jüdische Kultusgemeinde/Stadtarchiv München
Harlaching · Vor 70 Jahren versank die jüdische Gemeinschaft in Verwüstung, Terror und Tod. Synagogen in ganz Deutschland wurden zerstört, Geschäfte und Wohnhäuser gingen in Flammen auf, rund 400 Menschen wurden ermordet und 30.000 in Konzentrationslager verschleppt.
Zum Gedenken an die Reichspogromnacht finden am 9. November in ganz München Gedenkveranstaltungen statt. In Harlaching werden am Grünwalder Stadion von 14.00 bis 16.00 Uhr die Namen der ermordeten und deportierten Harlachinger und Giesinger Juden vorgelesen. Die Idee, die Lesung direkt in die Stadtviertel zu bringen, ist neu. In den vergangenen zehn Jahren gab es lediglich eine zentrale Lesung. »Unser Anliegen in diesem Jahr ist es an die Opfer zu erinnern und ganz bewusst die Stadtteilgesellschaft miteinzubeziehen«, erläutert Dr. Anne-Barb Hertkorn vom Verein »Gegen Vergessen – Für Demokratie« die Aktion. Aus diesem Grund trat Hertkorn an die Münchner Bezirksausschüsse heran und bat sie den organisatorischen Teil zu übernehmen. Hertkorn: »Zu unserer großen Freude haben alle zugesagt.«
Auch der Bezirksausschuss Harlaching-Untergiesing und der BA Obergiesing wollte von Anfang an bei der Aktion mitmachen und hat vor allem Politiker und Gesitliche eingeladen, am Eingang des Grünwalder Stadions die Namen von etwa 900 Opfern der Reichsprogromnacht verlesen.
Hier finden weitere Lesungen im Münchner Osten statt:
BA Berg am Laim und Trudering-Riem: Platz der Menschenrechte von 14.00 bis 17.00 Uhr; BA Au-Haidhausen: Mariahilfplatz von 11.00 bis 13.00 Uhr; BA Ramersdorf-Perlach: Am Pfanzeltplatz von 12.00 bis 14.00 Uhr.
Weitere Geschichtliche Hintergründe
Als »spontaner Volkszorn« und Reaktion auf die Ermordung des Diplomaten Ernst Eduard vom Rath durch einen Juden verkaufte das NS-Regime die Reichspogromnacht den Deutschen und der Welt. Dass es vielmehr um die Beschleunigung der gesetzlichen »Arisierung« ging, versuchte man zu verbergen. Mit der Zwangsenteignung jüdischen Besitzes und Unternehmen versuchte man die Staatsverschuldung zu verringern und die Kriegsvorbereitung zu finanzieren.
Dass es sich nicht um spontane judenfeindliche Aktionen handelte, beweisen auch Telegramme, in denen Propagandaminister Goebbels untergeordnete Behörden dazu anwies, sämtliche jüdischen Geschäfte zu zerstören, Wertgegenstände einzusammeln, Synagogen in Brand zu setzen und jüdische Symbole sicherzustellen. Gleichzeitig wurden die Feuerwehren und Polizeistationen angewiesen, nicht einzugreifen, sondern lediglich die Nachbargebäude zu schützen. Im Anschluss an die verordnete Zerstörung wurden insgesamt rund 30.000 Juden verhaftet und in KZ’s deportiert – die meisten von ihnen junge, wohlhabende Männer. Der Bevölkerung verkaufte man die Verhaftungen als »Wiederherstellung der Ordnung«.
Die Reaktionen aus dem Ausland auf die Pogrome beschränkten sich auf Protestschreiben. Die Amerikaner zogen ihren Botschafter aus Berlin ab. Die Deutschen waren in der Mehrzahl schweigende Schaulustige. Mancher Orts beteiligten sie sich auch an den Zerstörungen und Plünderungen der jüdischen Geschäfte.
Auch von Seiten der Kirche kam bis auf wenige Ausnahmen kein Wort des Protestes. Als Gründe werden hierfür die meist deutschnationale Einstellung und der traditionelle Anti-Judaismus vieler Pfarrer genannt.
Alle Münchner, die am 9. November ein Zeichen gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus setzen wollen, sollten zu den Lesungen in ihren jeweiligenStadtvierteln gehen.
Andrea Koller
Artikel vom 05.11.2008Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp
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