Nach der Hauptschule: Noch keinen Abschluss, aber einen Ausbildungsplatz

Unterschleißheim · P wie Praxis – und Partner

Ein Hauptschulabschluss ist es (noch) nicht, was Klassenlehrer Thomas Blechner mit Sozialpädagogin Barbara Gulde den Schülern (auf dem Foto: Marcus, Tufan, Sabrina und Lisa, v. l.) seiner P-Klasse geben kann aber das Zeugnis eines erfolgreichen Jahres.

Ein Hauptschulabschluss ist es (noch) nicht, was Klassenlehrer Thomas Blechner mit Sozialpädagogin Barbara Gulde den Schülern (auf dem Foto: Marcus, Tufan, Sabrina und Lisa, v. l.) seiner P-Klasse geben kann aber das Zeugnis eines erfolgreichen Jahres.

Unterschleißheim · Wissen, worauf es bei einer Bewerbung ankommt. Welche Fragen man stellen muss, wie man einen Vorstellungstermin vereinbart. Aber auch: Wissen, was man will, was man kann. Und was man damit werden kann. Erfahrungen mit einem Lötkolben machen. An einer Holzbank. Mit Kabeln und mit Lockenwicklern.

Und zusätzlich immer wieder Praktikum machen, insgesamt acht Wochen lang. Das alles gehört dazu, wenn man in eine »P-Klasse« an der Unterschleißheimer Hauptschule geht. P steht für »Praxis«. Ganz offiziell. P steht für Partnerschaft und Persönlichkeit. Ganz praktisch.

»Wir führen mit jedem unserer potenziellen Schüler und seinen Eltern vorher ein persönliches Einzelgespräch. Dabei erklären wir, was die P-Klasse ist und welche Chancen es hier gibt. Wir sagen aber auch ganz klar, was wir erwarten«, erklärt Thomas Blechner, Klassenlehrer der P-Klasse an der Unterschleißheimer Hauptschule, anlässlich der Zeugnisvergabe. Die Schule ist eine im gesamten Landkreis-Gebiet einmalige Chance für Hauptschüler, die schon mindestens ein Schuljahr wiederholt haben und keine Hoffnung haben, den Hauptschulabschluss zu schaffen. »Früher gab es eine weitere P-Klasse in Unterhaching. Doch die wurde aufgelöst, weil es nicht genug Anmeldungen gab.

Eltern denken, ihren Kindern würde damit ein Stempel aufgedrückt«, seufzt Gina Hanke, die Schulleiterin, im Gespräch mit der Münchener Nord-Rundschau. »Dabei ist das in Wirklichkeit eine letzte Chance – und dieses Jahr haben alle, die dabei geblieben sind, sie besonders gut genutzt«, ergänzt Barbara Gulde, die als Sozialpädagogin die Arbeit Blechners ergänzt. Was sie damit meint: Von den 13 Schülern zu Beginn des Schuljahres haben jetzt neun feste Ausbildungsplatzzusagen bekommen, sieben für dieses Jahr und zwei ab Herbst nächsten Jahres.

Diejenigen, die ihre Ausbildung erfolgreich beenden, erlangen damit automatisch den Hauptschulabschluss. Dieses »Modell der Förderung von Schülerinnen mit großen Lern- und Leistungsrückständen«, so das Kultusministerium, führte das Land Bayern im Schuljahr 1999/2000 im Rahmen seiner Bemühungen ein, der Hauptschule wieder zu mehr Anerkennung zu verhelfen. Finanziert wird es zu einem Großteil mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds.

»Gleich zu Beginn des Schuljahres besteigen wir gemeinsam einen Berg und übernachten dann oben auch in einer Hütte. Das ist durchaus symbolisch zu sehen: Zu Beginn des Schuljahres haben wir einen großen Berg vor uns. Doch gemeinsam werden wir schließlich den Gipfel besteigen«, erzählt der Klassenlehrer. Und räumt ein, dass der Weg zum Ausbildungsplatz, den in diesem Jahr neun seiner Schüler geschafft haben, wesentlich steiniger war: »Am Anfang ist die Motivation riesengroß.

Dann machen die Schüler ihre Erfahrungen, erleben, wie hart die Arbeitswelt auch sein kann. Um Weihnachten herum kommt meistens der erste große Einbruch. Aber danach bekommen die ersten ihre Stellen, das motiviert wieder die ganze Gruppe – und schließlich trauen sich unsere Schüler auch im Unterricht mehr zu.« »Hier ist es einfacher«, erklärt Lisa nur auf die Frage, wie sie es zur künftigen Auszubildenden als Bäckereifachverkäuferin geschafft hat. »Herr Blechner hat für jeden von uns die richtigen Aufgaben.« Eva Mäkler

Artikel vom 29.07.2008
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