Grünwald feiert den Geburtstag der Verfassung

Grünwald · 200. Jubiläum ausgelassen gefeiert

Bürgermeister Jan Neusiedl nahm die Besucher des Festes mit auf eine Reise durch die Geschichte.

Bürgermeister Jan Neusiedl nahm die Besucher des Festes mit auf eine Reise durch die Geschichte.

Grünwald · 200 Jahre alt – und noch kein bisschen welk: So könnte das Motto für die Grünwalder »Verfassungslinde« lauten, die seit vergangenem Samstag genau 200 Jahre auf dem buckligen Stamm hat.

Für die Feierlichkeiten mit Blasmusik, Freibier, bayerischen Schmankerln und einer Ansprache von Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) hätte es Petrus nicht besser meinen können: Traumhafte Temperaturen, ein lauer Wind, eine aus einem makellos blauen Himmel scheinende Sonne – in Scharen strömten die Grünwalder herbei, um das Ereignis am Kriegerdenkmal gebührend zu feiern.

Gleich zwei Fliegen mit einer Klappe konnte Neusiedl schlagen: Nicht nur der Baum »feierte« nämlich seinen Geburtstag, sondern auch die Bayerische Verfassung, die 1808 aus der Taufe gehoben wurde. 112 Jahre währte das 1806 gegründete »Königreich Bayern«, bis es 1918 in den Wirren des Ersten Weltkrieges unterging und der letzte Wittelsbacher-Monarch Ludwig III. abdanken musste. Neusiedl, der selbst leidenschaftlicher Hobbyhistoriker ist, war die Freude über die Koppelung beider Ereignis sichtlich anzumerken: »Es ist schön, diese beiden Geburtstage feiern zu können. Das ist gelebte Geschichte.« Der Rathauschef erinnerte in seiner Rede an die bewegten Zeiten von damals: Als die Linde gepflanzt wurde, stand der französische Kaiser Napoleon gerade im Zenit seiner Macht.

Zwar hatten seine Truppen Angst und Schrecken über Europa gebracht, gleichzeitig aber die Grundlage für eine komplette Umgestaltung der politischen Landschaft in den deutschen Fürstentümern gelegt: »Der Bayerische Staat ist ein Kind der französischen Revolution«, hob Neusiedl hervor. Reichsherolde ritten in jenen Tagen durch die Städte und Dörfer Bayerns, um das Königreich auszurufen, Herzog Maximilian IV., der seit 1799 Herrscher über »Kurbayern« war, wurde zum ersten bayerischen König proklamiert. Auch bürgerliche Rechte wie Meinungsfreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz hielten damals Einzug in Bayern, waren aber noch längst nicht so stark ausgeprägt wie heute.

Das gesamte 19. Jahrhundert war vielmehr von blutigen Schlachten geprägt, um dem Liberalismus zum Siegeszug zu verhelfen – erst nach 1945 gelang es, die Demokratie dauerhaft zu etablieren. Dennoch: Ohne die Ereignisse in den ersten 20 Jahren des 19. Jahrhunderts wäre die Welt von heute nicht denkbar, betonte Neudiedl: »Für die damalige Zeit waren sie geradezu revolutionär.« Er appellierte daran, das Bewusstsein für die bürgerlichen Freiheiten aufrecht zu erhalten: »Freiheit und Rechte sind nicht selbstverständlich, sondern sie müssen tagtäglich neu erarbeitet werden.« Zum Abschluss des offiziellen Teils sangen die Festteilnehmer die Bayernhymne, anschließend wurde bis spät in den Abend gefeiert.

Redaktion

Artikel vom 24.07.2008
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