Erfolgreiche Bilanz der "Schnellen Hilfe" München

»Familiäre Bereitschaftspflege«

München · Der Bedarf an Plätzen zur Unterbringung von älteren Kindern und Jugendlichen, die sich aus persönlichen oder familiären Gründen in einer akuten Krise befinden, nimmt zu

Allein im Zuständigkeitsbereich des Münchner Stadtjugendamts stieg zwischen den Jahren 1997 und 1999 die Zahl der Inobhutnahmen von 497 auf 656 Fälle, bei Kindern im Alter von 6 bis unter 12 Jahren stieg sie von 29 auf 46 und bei Jugendlichen im Alter von 12 bis unter 18 von 380 auf 528.

Dass im Falle einer Inobhutnahme die Aufnahme in eine, eigens für diese Aufgabe qualifizierte Familie unter pädagogischen Gesichtspunkten einer Unterbringung in einer stationären Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung vorzuziehen ist, darüber sind sich die Fachleute mittlerweile einig: Der Schichtdienst der Betreuer und die Fluktuation der anderen Kinder machen den in Not geratenen Kindern und Jugendlichen den Aufbau tragfähiger Beziehungen in einem Heim in der Regel kaum möglich.

Im überschaubaren Rahmen eines familiären Milieus mit konstanten Bezugspersonen können sie viel eher Schutz und Geborgenheit finden und in Ruhe unterstützt von Fachleuten ihre weitere Perspektive abklären.

„Familiäre Bereitschaftspflege“ nennt sich dieses Konzept, das es für Kinder unter 6 Jahren bereits in vielen deutschen Städten gibt, zumeist in Trägerschaft der zuständigen Jugendämter. In München beschloss der Stadtrat im Jahr 1992 die Installation eines beim Stadtjugendamt angesiedelten Modellprojekts „Kurz- und Bereitschaftspflege“ für Kinder unter 6 Jahren. Für ältere Kinder und Jugendliche ist das Konzept der Bereitschaftspflege noch wenig verbreitet, obwohl deren Anteil an Inobhutnahmen sehr hoch ist.

Die „Schnelle Hilfe“ hat nun im Rahmen einer Evaluation durch die Gesellschaft für Ausbildungsforschung und Berufsentwicklung, GAB München, ihre Erfahrungen der ersten Jahre wissenschaftlich untersuchen lassen und hierzu Kooperationspartner und Pflegefamilien befragt. 22 Familien arbeiten derzeit aktiv mit der Schnellen Hilfe zusammen. Seit Projektbeginn bis Dezember 2000 wurden in der Schnellen Hilfe insgesamt 120 Kinder und Jugendliche betreut. Bei den im Rahmen der Evaluation näher untersuchten 36 Fällen handelte es sich zu knapp drei Viertel um Mädchen und zu gut einem Viertel um Jungen.

Der Altersdurchschnitt betrug 12,7 Jahre. Bei gut der Hälfte der Fälle handelte es sich bei der Maßnahme um eine Inobhutnahme bei den restlichen Fälle um eine Bereitschaftspflege oder zeitlich befristete Pflege. Als Hauptanlass für die Maßnahme wurden bei knapp 40 % der Fälle „Gewalt in der Familie“ genannt, bei 20 % „Konflikte mit den Eltern“ und bei 10 % „Suchtprobleme der Eltern“. Gut 60 % der bereits abgeschlossenen Fälle kehrten wieder zurück in ihre Herkunftsfamilie oder gingen zu nahen Verwandten. Knapp 20 % kamen in eine betreute Wohngemeinschaft oder in eine andere betreute Wohnform, die übrigen wechselten in eine selbständige Wohnform, in eine andere Pflegefamilie oder einen Therapieplatz. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Kinder und Jugendlichen in den Pflegefamilien betrug 3,4 Monate.

Neben den fachlich-pädagogischen Vorteilen des Konzepts der familiären Bereitschaftspflege gibt es auch erhebliche finanzielle Argumente, die dafür sprechen: Während ein Tag im Heim die Stadt in etwa zwischen 290,- und 470,- Mark kostet, bekommt die Schnelle Hilfe derzeit rund 170 Mark pro Pflegetag und Kind. Der Pflegesatz, den ein freier Träger wie die Schnelle Hilfe an die Familien zahlen kann, liegt allerdings noch deutlich darunter, weil von diesem Geld ja auch die organisatorische und fachliche Arbeit von Verein, Fachberatern und Supervisoren sowie die Raum- und Sachkosten des Vereins finanziert werden müssen.

Um den in der Bereitschaftspflege tätigen Pflegefamilien also annähernd gleiche finanzielle Arbeitsbedingungen bieten zu können wie die Stadt, müssten freie Träger eine Art Mantelfinanzierung oder einen entsprechend höheren Tagessatz, der neben dem angemessenen Geld für die Pflegefamilien auch die Kosten für Organisation und Fachberatung mitträgt, bekommen.

Der Pflegekinder-Bereich der Jugendliche sei immer noch weitgehend von einem überkommenen Begriff der klassische Pflegefamilie geprägt, meint Detlef Blome, Geschäftsführer der Schnellen Hilfe. Dabei werde nicht deutlich genug gesehen, dass sich mit der Fachpflegekraft im Bereich der Bereitschaftspflege und zeitlich befristeten Vollpflege ein neues berufliches Qualifikationsprofil etabliere. Die Schnelle Hilfe sucht für die Arbeit als Fachpflegestelle qualifizierte Mitarbeiter. Für Interessenten findet am Dienstag, 20. Februar, um 20 Uhr in der Mendelsohnstraße ein Informationsabend statt.

Artikel vom 14.02.2001
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