Neuperlach ist 40 Jahre alt – Neues »Tor zum Süden« geplant

Stadt neben der Stadt

Die ersten Bewohner Neuperlachs zogen Ende der 60er Jahre in eine fast komplett fertige Stadt.	Foto: Karl Hirt

Die ersten Bewohner Neuperlachs zogen Ende der 60er Jahre in eine fast komplett fertige Stadt. Foto: Karl Hirt

Neuperlach · Im Sommer 1968, also vor genau 40 Jahren, zogen die ersten Bewohner im neuen Stadtteil Neuperlach ein. Unter dem Titel »Die Stadt neben der Stadt« lud vergangene Woche die evangelische StadtAkademie München zu einem archi- tektonischen Rück- und Ausblick in das Gemeindezentrum der Laetarekirche ein.

Der Architekt und ehemalige Planungsleiter der Neuen Heimat Christoph Titze berichtete über die Anfänge, Konzepte und Realisation des größten westdeutschen Siedlungsprojektes nach dem zweiten Weltkrieg.

Anfang der 60er Jahre beschloss der Stadtrat zur Linderung der Wohnungsnot im rapide wachsenden München den Bau einer so genannten Entlastungsstadt. Alternativstandorte wie Freimann und Schleißheim wurden zugunsten von Perlach verworfen. Hier stand ein zusammenhängendes 1.000 Hektar großes Gebiet zur Verfügung, auf dem sich ein völlig neuer Stadtteil frei von allen Bindungen entwickeln ließ. »Ein überregionales Zentrum, in dem nach ersten Planungen 80.000 Menschen wohnen sollten und das als Einzugsgebiet für 400.000 Menschen im Südosten dienen sollte«, so Titze. Darüber hinaus sollte der Münchner Osten gegenüber dem sich stark entwickelnden Westen aufgewertet werden. Der Strukturplan – für Neuperlach gibt es bis heute noch keinen rechtsverbindlichen Gestaltungsplan – sah vor: Es wird keine reine Schlafstadt gebaut, sondern eine »Stadt neben der Stadt«, in der Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeitgestaltung gleichermaßen möglich ist.

Um ein überörtliches Zentrum sollten sich sechs unterschiedliche Einzelzentren gruppieren, jedes mit eigener Infrastruktur, also Ladenzentrum, sowie schulische und kirchliche Einrichtungen. Deren städtebaulicher Wandel ist in der zeitlichen Abfolge von den ersten – Plett- und Quiddezentrum – bis hin zum letzten Bauabschnitt in Neuperlach Süd deutlich ablesbar.

Eine weitere Vorgabe war, keine Gartenstadt zu bauen. Die Bewohner sollten sich aufgrund einer großen Bebauungsdichte wie Städter fühlen, aber in öffentlichen Grünanlagen eingebunden und mit einem Fuß- und Radwegesystem verbunden sein. »Neuperlach ist nicht mit dem Auto, sondern nur zu Fuß oder mit dem Rad erlebbar, alle Hauseingänge sind von der Straße weg orientiert. Dieses System wurde konsequent durchgehalten«, lobte Titze.

Einzig das Herzstück Neuperlachs, der Hanns-Seidel-Platz, sei bis heute nicht gemäß den früheren Planungen gebaut worden. Die Inhalte des 1968 prämierten Entwurfs des Architekten Bernd Zimmer »waren aber auch zu gewaltig« so Titze. Vielleicht sei es ganz gut, dass er nicht realisiert wurde, so könnten heutige Planungen dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Insgesamt ist Titze mit Neuperlach, wie es sich heute präsentiert, zufrieden. Sein Fazit: »Statt einer Entlastungsstadt ist ein Stadtteil entstanden, in dem es sich zu wohnen lohnt«.

Das Tor zum Süden

Auch 40 Jahre nach Beginn ist die Bebauung von Neuperlach noch nicht ganz abgeschlossen. Als letztes größeres Areal wird das zehn Hektar große Gelände an der Carl-Wery-Straße bebaut. Als Vorschau erläuterte Architektin Martina Günther vom Büro Günther&Schabert den Siegerentwurf des Züricher Architektenbüros von Ballmoos Krucker, der derzeit in der Planungsdiskussion steht. Er sieht eine Bebauung in zwei Bauabschnitten vor.

Zunächst sollen im nördlichen Bereich am U- und S-Bahnhof riegelförmige Bürobauten entstehen. Der bestehende Park&Ride-Platz soll unterirdisch verlegt und in S-Bahn Nähe »als Hochpunkt« ein Hochhaus errichtet werden. In diesem Bauabschnitt sollen etwa 140 »attraktive familienfreundliche Wohneinheiten«, sowie eine Kinderkrippe errichtet werden. Die Bebauung westlich der Carl-Wery Straße wird die in Neuperlach Süd vorhandene Bebauung in Form von »Wohnhöfen« fortsetzen.

Nach Verbesserung der Verkehrserschließung durch den Bau der Südanbindung Perlach (SAP) können in einem zweiten Bauabschnitt im südlichen Bereich weitere 220 Wohnungen, zusätzliche Büroflächen sowie am südlichen Ende ein Bau- und Gartenfachmarkt, eingefasst in zwei Büroriegel, errichtet werden.

Bürgerbeteiligung

Ein Zeitplan stehe noch nicht fest, erklärte Kurt Damaschke, stellvertretender Vorsitzender des Bezirksausschuss (BA) 16 Ramersdorf-Perlach. »Der Stadtrat beschäftigt sich derzeit mit den Wettbewerbsergebnis und drängt auf ein OK des BA noch vor der Sommerpause«, so Damaschke. Doch das sei eher unwahrscheinlich, denn der BA möchte bei dieser Projektgröße die Bürger mit einbeziehen. Inge Stocker

Artikel vom 26.06.2008
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