Klärwerk Großlappen bietet bei »Tag der offenen Tür« überraschende Einblicke

Fröttmaning · »Es stinkt ja gar nicht!«

»Vogelperspektive«: Einer der wichtigsten »Angestellten« des Klärwerks – der Weißkopfadler Noa, auf der Hand seines Falkners Wolfgang Schreyer.Foto: em

»Vogelperspektive«: Einer der wichtigsten »Angestellten« des Klärwerks – der Weißkopfadler Noa, auf der Hand seines Falkners Wolfgang Schreyer.Foto: em

Fröttmaning · Heute ist Noa ein Star. Das hat er ganz genau im Gefühl. Mit drei Jahren ist er zwar noch nicht wirklich erwachsen, doch im besten Alter für ein wenig Flatterhaftigkeit. Seine größten Fans kreischen vor Begeisterung. Sie sind auch kaum älter als Noa, der Weißkopfadler. Und sie dürfen ihn heute sozusagen in seinem Revier besuchen – denn für Noa gibt es einen Job hier auf der Kläranlage Großlappen.

Ohne ihn und seine »Kollegen« aus der Truppe von Falkner Wolfgang Schreyer würden nämlich mindestens 3.000 Möwen über der Anlage kreisen und alles bekoten. So wie vor sechs Jahren, bevor Schreyers gefiederte Raubtiere die Lufthoheit eroberten. Dafür brauchten sie etwa ein halbes Jahr, mit zwei bis drei zehnminütigen Einsätzen pro Tag. »Dabei gab es aber keine Toten«, schmunzelt Schreyer. »Es reicht schon, wenn die Möwen meine Vögel sehen …« So trauen sich täglich nur noch etwa 300 Möwen zu dem Futterparadies Kläranlage.

Heute sind es vielleicht ein paar mehr – denn die Greifvogel-Patrouille scheint doch etwas unkonzentriert. Das könnte an den vielen Zuschauern liegen; insgesamt werden an dem bisher heißesten Sonntag des Jahres 1.200 Münchner die Kläranlage besuchen. Und sich vor allem über eines wundern: »Es stinkt ja gar nicht!« Ein Ausruf, der Dr. Bernhard Böhm von der Münchner Stadtentwässerung nach wie vor stolz macht. Bereitwillig erklärt er, mit welch aufwendigen Abluftsystemen alles, was unangenehm riecht, unter Verschluss gehalten wird. Mit einer kleinen Ausnahme für die Gäste, die kurz sehen dürfen, was alles angespült kommt im Klärwerk und in der ersten Stufe von riesigen Rechen abgefangen wird. Doch mehr Übelkeit als der Geruch verursacht der Anblick dessen, was aus den Toiletten angespült wird.

In den nächsten Reinigungsstufen wird zunächst der verbleibende Schlamm aus organischen Stoffen mechanisch abgesetzt. Ab dann tun in verschiedenen Becken nacheinander spezialisierte Bakterien ihren Reinigungsdienst. Das, was bei allen biologischen Prozessen im Klärwerk übrig bleibt, ist aber nicht nur Abfall, sondern gleichzeitig Energierohstoff, der dafür sorgt, dass die Kläranlage ihren Energiebedarf zu mehr als zwei Dritteln aus der eigenen Klärschlammverbrennung decken kann.

Um entsprechend nutzbar zu sein, müssen die biologischen Abfälle zuvor in Faultürmen gelagert werden. In Großlappen werden die bisherigen Faultürme nach und nach durch neue mit mehr Kapazität ersetzt. Doch bevor die alten eines Tages abgerissen werden können, müssen sie gereinigt werden. Daher tut sich noch etwas auf Großlappen, wovon die Besucher nichts mitbekommen. Denn während sie ihre Blicke nach oben wenden, um die Architektur der alten und der neuen Faultürme zu vergleichen, haben André Stankiewitz und seine Kollegen die »Innenperspektive«: Die Faulturmtaucher müssen, mit etwa 40 Kilogramm schwerer Ausrüstung samt »Astronauten«-Anzug, in die Türme hinabsteigen, um 30 Meter tiefer bei 35 Grad Celsius mit einem 500 bar starken Druckstahl den Klärschlamm von Jahrzehnten von den Wänden zu lösen. In vollkommener Dunkelheit, nur auf den Tastsinn angewiesen.

Nach einer Stunde Arbeit geht es langsam wieder ans Tageslicht – doch das dauert noch einmal eine Stunde, weil der Körper die Druckverhältnisse ausgleichen muss. Oben angekommen, werden die Aussichten aber deutlich besser – mit einem Panoramablick auf München. Sauber. Eva Mäkler

Artikel vom 24.06.2008
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