Münchner Behindertenverbände fordern Gehör

München - Augen auf, Ohren auf!

„Das Problem ist, dass unsere Mitmenschen nicht sehen, dass wir nicht gut hören“: Martin Langscheid (li.) und Thomas Harlander kämpfen um die Rechte von Schwerhörigen. nan

„Das Problem ist, dass unsere Mitmenschen nicht sehen, dass wir nicht gut hören“: Martin Langscheid (li.) und Thomas Harlander kämpfen um die Rechte von Schwerhörigen. nan

Die Probezeit ist vorbei: Fünf Jahre dauerte der Testlauf des Gesetzes zur Gleichstellung Behinderter in Bayern, ab Juli soll es, etwas geändert, unbegrenzt in Kraft treten. Dass es bisher an der praktischen Umsetzung des gut gemeinten Beschlusses gehapert hat – darauf wiesen Münchens Behindertenverbände bei einem Protesttag am Montag auf dem Marienplatz hin.

Beschämend: Nicht einmal im Münchner Rathaus sind die Weichen dafür gestellt, Schwerhörigen einen Besuch oder die Teilnahme an Sitzungen zu erleichtern.

„Das Problem ist, dass unsere Mitmenschen nicht sehen, dass wir nicht gut hören“, erklärt Thomas Harlander vom Schwerhörigenverein München e.V. Es sei daher verständlich, wenn keine Rücksicht genommen werde. Er empfiehlt daher allen Schwerhörigen, ein Hörgerät zu tragen – „ein möglichst auffälliges, damit andere Leute das bemerken und daraufhin lauter und deutlicher sprechen als gewöhnlich.“

Selbst wenn Rücksicht genommen wird, passiert dies oft halbherzig. In manchen Münchner Kinos, Kirchen und Behörden sind sogenannte Induktionsanlagen eingebaut, die akustische Signale, zum Beispiel aus einem Mikrofon, direkt auf Hörgeräte der neueren Generation übertragen können – mit der Folge, dass die Schwerhörigen ebenso gut verstehen wie „normale“ Menschen. Das häufige Problem dabei ist, dass die – vergleichsweise kostengünstigen – Anlagen schlecht gewartet werden, wie Theresa Fink vom Schwerhörigenverein weiß. Zwei Jahre lang sei beispielsweise die Induktionsanlage der St. Michaelskirche in der Neuhauser Straße defekt gewesen, die Orgel habe in Finks Ohren „schaurig wie ein kaputtes Radio“ geklungen. Kürzlich erst sei die Anlage zufriedenstellend repariert worden.

Dennoch: „Die Techniker sind leider meist nicht gut genug“, klagt Fink. „Sie hören meist einwandfrei – und können daher nicht beurteilen, ob die Anlagen auch für Schwerhörige funktionieren. Es wäre wichtig, uns bei der Wartung einzubeziehen.“

Immerhin aber hat der Bayerische Landtag bereits 2001 beschlossen, bei Neubauten und Umbauten staatlicher Gebäude, in denen Lautsprecheranlagen installiert sind, Induktionsleitungen einzuplanen. Die Stadt München allerdings handelt weniger vorbildlich: Nicht einmal im Rathaus sind Hörhilfen eingebaut, in anderen Behörden der Stadt könne man sich ebenfalls nicht darauf verlassen, so Martin Langscheid, 1. Vorsitzender des Schwerhörigenvereins.

Im Alltag sehbehinderter Münchner gibt es vergleichbare Schwierigkeiten: Es sei beispielsweise nicht selbstverständlich, dass neue Ampeln blindengerecht ausgestattet sind, wie Patricia Formisano vom Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund beklagt. Auch müsse man „ewig lange“ darum kämpfen, bestehende Ampeln umrüsten zu lassen. Beispiele hierfür sind die Ampeln an der Schelling-/Ecke Ludwigstraße und bei der Feuerwehr am Oberanger: „Erst nach Jahren sind sie mit akustischen Signalen ausgestattet worden.“ Bei der Planung von U- und S-Bahnhöfen aber habe sich die Situation für Sehbehinderte verbessert: „Wir werden öfter im Vorfeld einbezogen“, so Formisano.

Ihr wichtigstes Anliegen aber sei, dass Blinde selbstverständlich ihren Führhund auch ins Theater, in Krankenhäuser oder Supermärkte mitnehmen dürfen. „Das muss mit der Neufassung des Gleichstellungsgesetzes geregelt werden.“

Übrigens gibt es in der Stadt einige Kulturangebote für Sehbehinderte – beispielsweise bieten einige der Münchner Museen spezielle Führungen an. Allerdings: „Kultur ist eine Geschmacksfrage. Nicht alle Blinden interessieren sich für Musikinstrumente im Stadtmuseum“, sagt Elke Runte vom Blinden- und Sehbehindertenbund.

Auch sei ärgerlich, dass die Beschriftungen neben Museums-Exponaten oft klein und kontrastarm seien. Runte, die selbst sehbehindert ist, passiert es immer wieder, dass der Alarm losgeht, sobald sie sich den Schildern nähert, um sie gut lesen zu können.

Am 1. Juli wird das „Bayerische Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung“ endgültig in Kraft treten – mit dem Ziel, Menschen mit Behinderung Zugang zu öffentlichen Gebäuden, Verkehrsmitteln sowie zu „akustischen und visuellen Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen“ einzuräumen, kurz: um Barrierefreiheit zu schaffen. Hiermit ist nicht nur der Bau von Rollstuhl-Rampen gemeint – auch blinden und tauben Menschen müssen öffentliche Infos zugänglich gemacht werden. Das Problem: Es gibt so gut wie keine Durchsetzungs- oder Sanktionsmöglichkeiten, sollte das Gesetz unbeachtet bleiben.

Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 08.05.2008
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...