Brandloch-Festival morgen in der Seidlvilla zu Gast: »Rebellen«

München · Einst blieben nur Brandlöcher zurück

Sylvie Bantle, Bernhard Miller und Ulrike Budde (v. li.) engagieren sich gegen das Vergessen.	 Foto: VA

Sylvie Bantle, Bernhard Miller und Ulrike Budde (v. li.) engagieren sich gegen das Vergessen. Foto: VA

München · Noch bis 30. Mai läuft das 2. Brandlochfest unter dem Thema »Brückenschlag der Dichter von heute und gestern«. Das Brandlochfest ist ein literarisches Projekt, das eine kreative Brücke baut zwischen gestern und heute, das aus neuen Perspektiven nach vergessenen Münchner Autoren der verbrannten Literatur sucht.

Allen voran, um vor allem der jungen Generation eine Plattform anzubieten, einen Blick in das immense Brandloch zu werfen, das die Zeit des Nationalsozialismus hinterlassen hat, und somit dazu beiträgt, eine Kontinuität der Geschichte zu schaffen.

Die szenische Lesung »Rebellen« am Donnerstag, 8. Mai, um 20 Uhr in der Seidlvilla erzählt von der Gratwanderung zwischen Anpassung und Widerstand. Dazu gibt es eine Video-Collage mit dem Titel »23 Köpfe – 23 Schicksale«.

Zwischen 1933 und 1939 befragte die Journalistin Charlotte Beradt Menschen aus ihrer Umgebung heimlich nach ihren Träumen. Die Sammlung »Das Dritte Reich der Träume« sorgte bei der ersten Veröffentlichung in den 60er-Jahren für Aufsehen und regte die szenische Lesung an. Sie stellt Autorinnen und Autoren vor, die nach dem 31. Januar 1933 noch versucht haben, als Menschen des Wortes Widerstand zu leisten. Die meisten von ihnen sind vergessen – damals aus den Regalen, aus den Bibliotheken – heute aus dem Sinn.

Weiter geht es am Dienstag, 27. Mai, um 19.30 Uhr in der Stadtbibliothek Allach-Untermenzing, Pfarrer-Grimm-Straße 1. »Jung, erfolgreich, vielversprechend: Mascha Kaléko und Irmgard Keun« ist der Titel einer weiteren szenischen Lesung der Brandloch-Autorinnen Sylvie Bantle, Alma Larsen und Barbara Yurtdas. Mascha Kaléko, jüdische Dichterin aus Galizien, hatte im Berlin der späten zwanziger Jahre rasch Erfolg. Die literarische Bohème um Tucholsky, Kästner, Lasker-Schüler und anderen schätzte diese Mischung aus Gefühl, Ironie und spöttischer Treffsicherheit ihrer Alltagspoesie. Mascha Kaléko, 1935 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen wie viele ihrer Kollegen, emigrierte mit ihrer Familie 1938 nach Amerika und zog 1960 nach Israel. Nach dem Krieg konnte sie nur mühsam an ihre ersten Erfolge anknüpfen. Ihre Werke wurden seit den 80er-Jahren mehrfach neu aufgelegt.

Die in Berlin geborene Schriftstellerin Irmgard Keun wurde mit ihren ersten Romanen sofort berühmt. »Das kunstseidene Mädchen« war ein sensationeller Erfolg. Als 1933 ihre Bücher von den Nationalsozialisten verboten worden waren, musste die Autorin ins Exil gehen. Sie reiste in die USA, nach Nizza und lebte in Amsterdam, bis 1940 der Einmarsch der Deutschen sie von dort vertrieb. Mit falschem Pass fuhr sie nach Deutschland zurück, wo Zeitungen ihren Selbstmord meldeten – und wo sie unerkannt überlebte. 1950 schrieb sie ihren letzten Roman. Die meisten ihrer satirisch sozialkritischen und politisch wachen Prosawerke sind in Deutschland bis heute weitgehend unbekannt geblieben.

Die Münchner Autorinnen der Gegenwart Sylvie Bantle, Alma Larsen und Barbara Yurtdas präsentieren das Schaffen ihrer zu Unrecht vergessenen Kolleginnen, besonders unter dem Aspekt der Emigration, und stellen eigene Texte gegenüber.

Um Gertrud Kolmar, die am Mittwoch, 28. Mai, um 20 Uhr im Kulturzentrum am Giesinger Bahnhof im Mittelpunkt stehen wird, dreht sich der »Internet-Dialog mit einer Dichterin«.

Über sie gab es weder Schlagzeilen noch verkehrte sie in der literarischen Szene. Eine »stille« Poetin, die ganz in ihre Emotionen eintauchte und den Leser von heute noch mitreisst. Da sie politisch nicht aktiv war, landeten ihre Bücher 1933 nicht auf dem Scheiterhaufen. Weil sie Jüdin war, kam sie im KZ um. Wie andere Familienmitglieder hätte sie Deutschland verlassen können – warum tat sie es nicht?

Sylvie Bantle und zwei Literatur-Studentinnen der Universität München, Christina Bösel und Katharina Stooß, nähern sich der Autorin der Vergangenheit im Sinne eines Dialogs aus drei sehr unterschiedlichen Perspektiven.

Die Veranstaltung wird am Freitag, 30. Mai, um 20 Uhr im Kunstforum Arabellapark (Stadtbibliothek am Rosenkavalierplatz 16) wiederholt.

Artikel vom 07.05.2008
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