Albrecht Ackerland über gesunde Schüler

München - „Da schau her“

Sie steckte ihre ganze Liebe ins Brot. Wenn mein Vater mir einst Butterbrezen für die Schulpause eingepackt hat, dann machte er das sehr gut. Mehr auch nicht: Eine Butterbreze bleibt eine Butterbreze. Da gibt es nichts hineinzudichten. Mal davon abgesehen, dass ich sie vielleicht in der vierten Klasse in edler Spendermanier einem Mädchen geschenkt habe – dann freilich wurde aus der Butterbreze ein Symbol der Liebe.

Der Sinn des Pausenbrotes ist erst einmal, Nahrung zu sein. Soll mehr daraus werden, dann liegt es in der Hand des Schülers. Ausschließlich. Dabei geht es nicht nur um den Butterbreze-gestützten Flirt in der Frühpubertät. Auch ein verstecktes Käsebrot im Lehrerschreibtisch wurde von den Eltern nicht als Mittel zum Terror geschmiert. Zur Waffe wird das Käsebrot erst in der Hand des Schülers – früh- wie spätpubertär.

Das alles wusste meine Mutter nicht. Für sie war das geschmierte Brot die greifbar gewordene Liebe. Für mich war das lästig. Das lag auch daran, dass die Mutterliebe recht vollkornig war und immer Salz fehlte. Süß war die Liebe aber auch nicht. Der Zähne wegen. Kein Wunder also, dass mit meinen Pausenbroten nicht viel zu holen war bei den Mädels. Außer der Vater hatte Brezen gereicht. Tipp unter uns: Die gehen immer! Heute freilich weiß ich die Fürsorge meiner Mutter samt Tomaten-Achtel sehr zu schätzen. Sie kümmerte sich. Schon damals war das nicht selbstverständlich. Ich hatte Mitschüler, die bekamen tagein, tagaus zwei Mark für die Pause. Das war viel Geld. Für viel Süßigkeiten.

Wer Süßes hatte, war der Star. Klar, dass auch ich mir, wenn ich manchmal ausnahmsweise Geld für die Pause mitbekommen habe, ganz bestimmt keine Vollkornschnitte gekauft habe. Geschadet hat’s nicht. Heute liebe ich Vollkorn. Und die medizinische Versorgung durch unseren Schularzt wäre auch sehr passabel gewesen. Wenn ich sie denn gebraucht hätte. Dafür aber war ich zu gesund. Sie ahnen es schon: die Mutterliebe. Wenn ich heute höre, dass an Schulen mit sozial Schwächeren vermehrt die Gesundheit der Schüler geprüft werden soll, dann finde ich das gut. Gleichzeitig wird mir aber ganz schwindelig, dass so etwas anscheinend nötig ist. Hoffentlich bringt’s etwas.

Artikel vom 30.04.2008
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