Mitarbeiterüberwachung ist nur bei konkretem Verdacht erlaubt

München · Wenn Firmen spionieren

München · Immer mehr Fälle kommen ans Licht, in denen Firmen ihr Personal per Video oder mit Hilfe von Detektiven überwachen. Wie das Internetporal handwerk.com berichtet, sind Mitarbeiter keineswegs wehrlos. Ohne konkreten Verdacht ist die Überwachung von Mitarbeitern verboten. Dies hat schon im Jahr 2004 das Bundesarbeitsgericht entschieden (Aktenzeichen 1 Arbeitsrecht 21/03).

Ohne klaren Verdacht können Mitarbeiter die Überwachung per einstweiliger Verfügung stoppen. Nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt steht ihnen sogar ein Schmerzensgeld zu. Ein zu unrecht überwachter Mitarbeiter erhielt kürzlich gar ein Schmerzensgeld in Höhe von 25 Prozent seines Bruttogehalts (Aktenzeichen 18 Ca 4036/ 00). Anders sieht es bei einem konkreten Verdacht aus. So befand das Bundesarbeitsgericht die Videoüberwachung in einem Fall als rechtmäßig, in dem ein Mitarbeiter schon im Verdacht stand, seinen Betrieb zu bestehlen. Die Aufnahmen sollten den Verdacht auf Geldunterschlagung erhärten. Die Richter gaben dem Arbeitgeber recht, weil für die Überwachung und die sich daraus ergebende Kündigung ein hinreichender Verdacht bestanden habe und der Betriebsrat der Kündigung aufgrund der Aufnahmen zugestimmt hatte (Aktenzeichen 2 AZR 51/02).

Gunnar Barghorn, Chef eines mittelständischen Handwerksunternehmens, berichtet wie die Praxis im Deutschen Handwerk aussieht: »Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, unsere Mitarbeiter nicht ständig zu kontrollieren.« Kameras gibt es zwar auch in seinem Betrieb, »aber die hängen ganz offen sichtbar im Verkaufsraum und im Hof und sollen Diebe abschrecken.« Denn der Unternehmer setzt in seiner Firma auf Vertrauen – und auf Vernunft: »Unsere Mitarbeiter wissen, dass sie sich mit Diebstählen selbst schädigen würden«, berichtet Barghorn. Denn das Unternehmen hat vor drei Jahren ein Prämienlohnsystem eingeführt. Die Prämienhöhe hängt unter anderem von der Unternehmensrendite und dem Abteilungsergebnis ab. Ebenso fließen die Ergebnisse aus Kundenbefragungen in die Bewertung und damit in die Prämie ein. Barghorn will keine Kultur des Misstrauens und der Kontrollen, sondern unternehmerisch handelnde Mitarbeiter. »Da wäre eine ständige Überwachung das völlig falsche Signal.«

Artikel vom 29.04.2008
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