Albrecht Ackerland über Club-Gschaftler

München - „Da schau her“

Nichts ist wichtiger, als ein Clubausweis. Das habe ich schon früh erkannt: Ich war neun, und durfte — ein Wahnsinn! — Mitglied im Detektivclub der Buam aus der vierten Klasse werden. Das müssen Sie sich mal vorstellen! Wahrscheinlich lag's daran, dass ich schon im zarten Kindesalter ein solcher Gschaftler war, dass auch die Älteren einfach nicht an mir vorbeikamen. Ich war stolz wie Oskar.

Bei jeder Gelegenheit ließ ich die Clubkarte wie zufällig aus dem Kindergeldbeutel rutschen. Der wich bald darauf einer echten kunstledernen Brieftasche. Wer Detektiv ist, muss schließlich auch repräsentative Accessoires mit sich führen. Klar, oder? Mit zehn war ich schließlich kurz vor der Herrenhandtasche.

Wie viele Fälle ich damals gelöst habe weiß ich nicht mehr, die Zahl dürfte aber gefährlich nahe gegen Null gehen. War auch egal, für einen Detektiv war die Mitgliedschaft im Club wichtiger als schnöde Arbeit. Irgendwann verlor ich die Lust am Detektivsein - ich wurde Mitglied im Club der einsamen Herzen. Für ihn gab es aber keinen Ausweis. So konnte ich auch ohne großen bürokratischen Aufwand wieder austreten.

Auch sonst habe ich es ganz gut ohne Vereinsmeierei durchs leben geschafft, wurde weder Kleintierzüchter noch Kegler. Sicher sind solche Zusammenschlüsse von Menschen mit gleichen Interessen eine feine Sache. Ich bin aber einfach nicht der Typ dafür. Und auch der Herrenhandtasche bin ich zeitlebens entkommen, und eine Brieftasche in Schulheftgröße besaß ich ebenfalls nie wieder. Die drei, vier Karten, die ich bis vor wenigen Wochen besaß, passten gut in meinen kleinen Kindergeldbeutel. Doch damit ist jetzt Schluss.

Der Grund: das Rauchverbot. Seit Gesundheit einem gesetzlich vorgeschrieben wird, wird in den Kneipen und Boazn meines Vertrauens mehr geraucht denn je. Als alter Biertisch-Revoluzzer bin ich daran freilich nicht unbeteiligt. Die Zeiten der Gelegenheitsraucherei am Tresen sind vorbei, manchmal liegen mittlerweile zwei Kippen gleichzeitig im Aschenbecher — beide von mir. Denn: Die Clubmitgliedschaft will genutzt sein. Jede meiner Boazn ist mittlerweile zum Raucherclub geworden, Mitgliedersitzung ist ständig, dabei sein darf nur, wer eine Karte mit sich trägt.

Keine der Boazn macht mit beim „Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur“, die Wirte drehen alle lieber selbst. So häufen sich kleine Plastikkarten, ein wahres Fest für jeden Karten-Gschaftler. Wäre ich nur wieder Neun, wünsche ich mir manchmal, ich hätte eine solche Freude. Bin ich aber nicht. So bleibt mir nur die Freude auf den Sommer, wenn die Boazn durch den Biergarten ersetzt wird. Dann kann ich die ganzen wichtigtuerischen Karten endlich wieder daheim lassen.

Artikel vom 13.03.2008
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