Probe eines Ernstfalls im Strahlenunfallzentrum des Klinikums Schwabing

Schwabing · Kriegerisches Szenario

Gasmasken und Schutzanzüge mitten in Schwabing: Was nach einem Horrorszenario aussieht, ist nur ein Probelauf im Strahlenunfallzentrum. 	Foto: ks

Gasmasken und Schutzanzüge mitten in Schwabing: Was nach einem Horrorszenario aussieht, ist nur ein Probelauf im Strahlenunfallzentrum. Foto: ks

Schwabing · Ein Feuerwehrauto rauscht durch die Wege des Klinikums Schwabing und legt vor dem Eingang eine Vollbremsung hin: Ein Chemielaborant ist die Treppe heruntergefallen und hat sich den Arm gebrochen. Bisher nichts ungewöhnliches, hätte sich nicht aus einem Reagenzglas eine radioaktive Flüssigkeit in seine offene Wunde ergossen und würden ihn nun nicht Ärzte mit Gasmasken und Schutzanzügen behandeln.

Was wie ein Horrorszenario klingt, ist in Wirklichkeit halb so wild, denn es handelt sich lediglich um eine Ablaufübung des Schwabinger Strahlenunfall-Teams, das den Ernstfall probt. Der Chemielaborant ist eigentlich ein Zivildienstleistender und sein offener Armbruch eine Attrappe, dennoch nehmen die Ärzte ihren Einsatz am Montag, 18. Februar, ernst. Sie dürfen nicht aus der Übung kommen. Ein halbes Jahr war die Station renoviert worden. Durch die OP- und Behandlungsräume wirbeln nun Ärzte und Pfleger in gelben Schutzanzügen und Gasmasken.

Der Probepatient muss dekontaminiert, also von der Strahlung befreit werden. »Bei solchen Unfällen kommt es meist zu Zersplitterungen oder Verpuffungen, dann heißt es möglichst schnell rauszufinden, um welche Art und um welches Ausmaß der Verstrahlung es sich handelt«, erklärt Nuklearmediziner Dr. Erhard Pittelkow. Strahlenunfälle sind für die Schwabinger Mediziner eher eine Seltenheit, auch wenn heute in der Industrie viel mit radioaktiven Stoffen gearbeitet wird. »Wir rechnen hier nicht mit der Riesen-Atombombe. Aber das Zentrum für Gesundheit und Umwelt und der Forschungsreaktor in Garching sind nicht weit weg. Falls dort etwas schiefgeht, wollen wir gerüstet sein«, meint Chefarzt Dr. Eduard Höcherl.

Das Zentrum sei aus politischen Gründen im Zuge des geplanten Atomreaktors in Wackersdorf in den 80er-Jahren errichtet worden. Seitdem steht das Strahlenzentrum aber keinesfalls leer, die Räume werden im Alltag von der Chirurgie genutzt. »Sonst wäre die Finanzierung gar nicht möglich. Wir können hier keinen Luxustempel bewirtschaften, der vielleicht im Jahre 2050 einmal zum Tragen kommt. Wir brauchen eine Doppelnutzung«, erklärt Höcherl. Kommt es zu einem Strahlenunfall, kann die Station innerhalb von dreißig Minuten hochgefahren werden. »Dann heißt es messen, waschen und die Wunde ausschneiden«, erklärt Dr. Sebastian Sepp von der Chirurgie. Die Operationsgeräte werden ebenso wie das Abwasser in gesonderten Behältern aufgefangen und entsorgt. Neben den Chirurgen können im Klinikum auch Augen- und HNO-Ärzte zur Behandlung im Falle einer Kontamination hinzugezogen werden.

»Das ist der Vorteil des Klinikums, hier ist alles unter einem Dach und funktioniert Hand in Hand«, meint Sepp. Dem Zivi ging es nach der Strahlenbehandlung schlagartig besser, doch bei einer starken Verletzung können die Patienten in speziellen Räumen über Wochen hinweg behandelt werden. »Wir rechnen in naher Zukunft eher nicht mit einer Massen-Kontamination der Bevölkerung.« sagt Höcherl. »Vielmehr sind wir glücklich, dass es, wenn überhaupt, zu leichten Unfällen kommt.« Kathrin Schubert

Artikel vom 19.02.2008
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