Albrecht Ackerland über Mia san mia

München - „Da schau her“

Jung sein, das wär’s! Eher selten kommen in mir derartige Gefühle hoch, jung ist man im Hirn, sag’ ich immer. Soll heißen: Auch ein Zwanzigjähriger kann in seinem Denken schon kurz vor der Altersschwäche stehen. Und es gibt nicht wenige Achtzigjährige, deren Kopf frisch wie der Frühling wirkt. Treffe ich solche bewundernswerten Menschen, dann möchte ich fast schreien: Alt will ich sein! Und zwar noch hundert Jahre lang!

Den einzigen Nachteil daran verspüre ich schon in meinem läppischen Mittelalter: Das mit den Fremdsprachen wird immer schwieriger. Spanisch will ich lernen, seit zehn Jahren schon: Mit der gleichen Motivation gehe ich ans Lernen wie damals in der Schule beim Englischunterricht.

Ein junges Hirn lernt flink und flott. Besser wird’s nicht. Soll heißen: Englisch kann ich immer noch einigermaßen sehr gut, im Spanischen reicht’s gerade mal zu einem lässigen Olé. Gut, ist ja auch schon was.

Kürzlich kam die gute Nachricht, dass in vielen Münchner Schulen mittlerweile recht erfolgreich Chinesisch unterrichtet wird. Sie entschuldigen die Plattitüde – ich bin ein bisschen gelb vor Neid. Jung sein, das wär’s. Wir alle wissen schließlich längst: China kommt nicht mehr, China ist schon so was von da. Boom ist das Stichwort. Chance, Markt.

Manchmal aber frage ich mich, ob manche in unserer Gesellschaft wirklich ihre Chancen bekommen, jetzt nicht auf den chinesischen Markt bezogen. Was helfen mir chinesisch sprechende Bürgerskinder, wenn meine Nachbarskinder einfach keine Lust zu lernen haben?

Und ich vermute stark, dass diese Unlust nur zum Teil auf ihrem eigenen Mist gewachsen ist, dass daran vor allem die Unlust einer ganzen Gesellschaft Schuld hat, wenn die Nachbarsbuam noch nicht mal unsere schöne Sprache lernen wollen. Auch wenn sie fast so schwer ist wie Chinesisch.

Ich träume immer noch davon, dass alle zusammen unser Wir ausmachen. Wenn das die Wirklichkeit allerdings nicht schafft – dann gibt es zum Glück noch das Theater. Auch wenn es dort nur den Menschen was bringt, die es eh schon wissen.

Jedenfalls: In den Kammerspielen hat gerade das Projekt „Bastard München“ begonnen. Darin geht’s genau um die Frage: Wer ist „Wir“? Der großartige Münchner Bülent Kullukcu nennt sein Stück: „Mia san Murat“. Hingehen lohnt. Auf unser aller ewige Jugend. Zumindest im Kopf.

Artikel vom 24.01.2008
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