Bradley geht, Cortina kommt, der EHC verliert

Ein schrecklicher Geburtstag

Blutleer und kraftlos ließ sich der EHC von Ravensburg vom Feld schieben. Eine beeindruckend schwache Leistung. Foto: hh-muc

Blutleer und kraftlos ließ sich der EHC von Ravensburg vom Feld schieben. Eine beeindruckend schwache Leistung. Foto: hh-muc

Am vergangenen Samstag feierte der EHC München sein zehntes Jubiläum. „Ein schöner Tag für das Münchner Eishockey“, befand Vorstandsmitglied Detlef Dörrié vor dem Spiel. Zur Feier des Tages wurde ein Mammutprogramm auf die Beine gestellt: Ein Showspiel der EHC-Allstars gegen die Sternstunden-Auswahl des Bayerischen Rundfunks, eine Vorführung der Kleinsten des Vereins, eine große Verlosung und natürlich das Ligaspiel des EHC München gegen den EV Ravensburg.

„Ich wünsche mir nichts mehr als diese drei Punkte“, sagte Clubpräsident Jürgen Bochanski vor dem Anpfiff. Dann schüttelte er verschiedene Hände, alle Freunde des Vereins freuten sich. Noch. Zum Thema des Tages wollte zu diesem Zeitpunkt noch niemand Stellung nehmen. Der ehemalige Trainer Pat Cortina, der die EHC-Allstars trainiert hatte, stand im VIP-Raum und freute sich ebenfalls. Freute sich, wieder hier zu sein, wieder alte Freunde und Wegbegleiter zu sehen: „Ich habe ein frustrierendes Jahr in Innsbruck hinter mir. Aber hier ist meine Laune schon besser.“ Ein Schelm, wer da schon Böses dachte. Es war kurz vor acht Uhr abends. Nur zwei Stunden später hatte sich die heile Welt des Jubiläumstages in ein Horrorszenario verwandelt. Die Mannschaft des EHC hatte das schlechteste und uninspirierteste Spiel seit dem Aufstieg in die zweite Liga gezeigt. Blutleer, kraftlos und ohne Willen ließen sie sich von den in allen Belangen überlegenen Ravensburgern mit 1:4 die Geburtstagsparty versauen. Der schwäbische Fanblock sang höhnische Geburtstagsständchen, während die Nordkurve ausrastete: „Wir sind Münchner, und ihr nicht“ sowie „Wir haben die Schnauze voll“ waren noch die harmlosesten Wortmeldungen. Verbunden mit fliegenden Bechern und Mittelfingern war das Desaster komplett. Cortina saß unterdessen auf seinem Platz und wich allen Fragen aus. Sein Gesicht war versteinert, wenn auch nicht ganz so blass wie das der EHC-Offiziellen. Es war 10 Uhr abends. Gegen halb elf stand Doug Bradley konsterniert in den Katakomben des Stadions. Er war den Fragen der Journalisten zuerst aus dem Weg gegangen. Er war frustriert. „So frustriert wie noch nie in meiner Karriere. Was soll ich denn noch machen? Bei so einer Leistung, ganz ehrlich, was soll ich denn noch machen?“ Er überlege sich, sein Amt niederzulegen. Zeitgleich beriet sich die sportliche Leitung des Vereins. Es musste etwas getan werden. Und zwar schnell. Sonntagmorgen war es klar: Bradley legt sein Amt nieder, Cortina wird die Nachfolge seines Nachfolgers antreten. Einzige Aufgabe: Rettung des Vereins vor der Abstiegsrunde. Denn in dieser Verfassung würde diese Mannschaft keine Chance haben. Damit ist Cortina der dritte Trainer, den der EHC München in dieser Saison anstellt. Und bezahlen muss. „Es war die einzige Lösungsmöglichkeit“, so Jürgen Bochanski. Am Montag machte der EHC den Trainerwechsel offiziell in einer Pressemitteilung bekannt. „Doug hat die Entscheidung akzeptiert und wird immer ein Freund des EHC München bleiben“, schrieb Manager Christian Winkler. Diese Pressemitteilung könnte auch als sportliche wie geschäftliche Bankrotterklärung eines Vereins gesehen werden, der alles dafür zu tun scheint, keine Ruhe einkehren zu lassen. Angefangen von fragwürdiger Transferpolitik bis hin zur öffentlichen Distanzierung Winklers von Trainer Bradley. Allein die Einladung des ehemaligen Trainers Cortina musste Bradley wie ein Schlag ins Gesicht vorgekommen sein. Und auch die unklugen Äußerungen Winklers in der Vergangenheit („Ich telefoniere beinahe täglich mit Pat“) gehören in die Kategorie „Krisenmanagement für Anfänger“. Sicher, Bradley hat den Zugang zur Mannschaft nicht gefunden. Sicher, Bradley war vermutlich zu nett für diese Spieler, denen es momentan an allem, was Professionalität ausmacht, mangelt. Doch die Umstände, wie Cortina reaktiviert und Bradley dekonstruiert wurde, sind fragwürdig und hinterlassen einen unangenehmen Nachgeschmack. Die Saison 2007/2008 wird als Katastrophenjahr in die Geschichte des Vereins eingehen. Sowohl die Mannschaft auf dem Eis als auch die Verantwortlichen haben dafür die Verantwortung zu tragen. Die Verpflichtung Cortinas ist in dieser Situation kein Zeichen von Souveränität, sondern ein hilfloses Rudern nach dem stärksten verfügbaren Strohhalm. Bleibt die Hoffnung, dass er hält. Daniel Köhler

Artikel vom 21.01.2008
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