Steigendes Problem Jugend und Alkohol: Projekt am Klinikum Schwabing

München · Rausch ausschlafen im Krankenhaus

München · Advent, die bevorstehende Silvesterparty und bald Fasching - für ein bisschen Alkoholgenuss bieten sich gerade viele Gelegenheiten. Doch scheinbar ist ein Vollrausch unter Jugendlichen heute keine Seltenheit mehr. Allein 630 Alkoholvergiftungen bei unter 18-jährigen seit dem Jahr 2000 hatte das Klinikum Schwabing bisher zu behandeln und zieht deshalb nun zusammen mit dem Verein Condrobs e.V. die Notbremse.

Seit Ende November bietet das Klinikum Schwabing das Pilot-Projekt »Münchner Ärzte gegen Jugendalkoholismus« an. In einem sogenannten Monitoring-Programm soll durch Fragebogen-Auswertungen die Alkohol-Problematik bei Jugendlichen erfasst werden. Ausschlaggebend war der Fall eines minderjährigen Jugendlichen aus Berlin, der im Frühjahr nach 45 Tequila gestorben war.

»Am Freitagabend geht es los mit der Party, dann werden die Jugendlichen bei uns eingeliefert und schlafen auf gut Deutsch ihren Rausch aus«, beschreibt Projektkoordinator Dr. Grübl von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Schwabing die Situation. »Bisher waren uns die Jugendlichen nicht zugänglich, weil sie meist nach einer Nacht mit einer Telefonnummer in der Hand am nächsten Tag verschwunden sind, aber sich bei der Beratung dann nicht mehr gemeldet haben«. Zwar gebe es bisher noch keine genauen Zahlen, aber die Alkoholvergiftungen könnten sich in den letzten fünf Jahren in der Bierstadt München fast verdoppelt haben.

Jetzt greift das Krankenhaus sofort ein. »Sobald ein Jugendlicher mit einem Vollrausch eingeliefert wird, kommt ein Sozialpädagoge von Condrobs und bietet Hilfe an. Natürlich nur, wenn die Eltern vorher ihre Einwilligung gegeben haben«, erklärt Dr. Grübl.

Die ausgewerteten Fragebögen sollen Aufschluss über die Häufigkeit von Alkoholproblemen bei Münchner Jugendlichen bringen, aber auch die Münchner Szene widerspiegeln: »Wir müssen wissen, wo getrunken wird, ob privat oder in Diskotheken und welche zusätzlichen Drogen gerade »in« sind, um gezielt handeln zu können«, sagt Dr. Grübl. Dafür seien die Mitarbeiter von Condrobs die Experten. Ziel sei es vor allem die Sucht früh zu erkennen und gezielt Maßnahmen ergreifen zu können. Das Projekt ist erstmal auf ein Jahr befristet und soll dann flächendeckend sein. In etwa einem Viertel Jahr wollen die Verantwortlichen Inventur machen und sehen, was bis dahin erreicht wurde. Bis dahin gestaltet sich die Finanzierung vor allem für Condrobs schwierig: »Im Januar wird sich entscheiden, ob wir von der Suchthilfekoordination der Landeshauptstadt München eine halbe Planstelle finanziert bekommen, bis dahin versuchen wir uns mit Spenden zu finanzieren«, sagt Frederik Kronthaler von Condrobs.

Ein Start gegen den Jugendalkoholismus ist gemacht, nun wollen die Kooperationspartner weitere Kliniken aber auch niedergelassene Ärzte finden, die sich an dem Projekt beteiligen.

»Es gibt immer noch Ärzte, die ihren Patienten morgens eine Flasche Piccolo gegen Kreislaufbeschwerden verordnen, das geht nun wirklich nicht mehr«, fordert Prof. Dr. Felix Tretter vom Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen und Krisen. Kathrin Schubert

Vollrausch und dann?

Prof. Dr. Felix Tretter wird deutlich:

Welche Gefahren bestehen für trinkende Jugendliche? Wer früh mit dem Trinken anfängt kann sich seine Zukunft verbauen. Man wird in dem Alter leicht abhängig. Was können die Folgen starken Alkoholkonsums sein? Neben Vergiftungen, die sogar zum Tod führen können, wird vor allem das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen. Man bleibt geistig zurück. Das Gehirn hat in der Teenagerzeit noch sechs bis sieben Jahre Entwicklung vor sich, die Grundverdrahtung der Gehirnstränge wird gestört. Die geistigen Fähigkeiten sind also bei weitem schlechter als sie sein könnten. Wie sieht die Zukunft für diese Jugendlichen aus? Es gibt 16-jährige, die den gleichen Gedächtnisverlust aufweisen können wie ein 50-jähriger, der regelmäßig ordentlich Bier konsumiert hat. Flatrate-Partys sollte man sich überlegen.

Artikel vom 27.12.2007
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