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Die Münchner Historikerin Sabine Brantl fand im Keller des »Hauses der Kunst« brisantes Material für ihre Forschungen.  	F: Privat

Die Münchner Historikerin Sabine Brantl fand im Keller des »Hauses der Kunst« brisantes Material für ihre Forschungen. F: Privat

München - »Steinerner Zeitzeuge« im Haus der Kunst: Sabine Brantl erzählt seine Geschichte. Jeder Münchner kennt das »Haus der Kunst«, fast jeder weiß, dass es sich bei dem Gebäude um das erste architektonische Vorzeigeprojekt der NS-Propaganda handelt; ursprünglich hieß es »Haus der Deutschen Kunst«.

Die Münchner Historikerin Sabine Brantl aber wollte mehr über die Geschichte dieses »steinernen Zeitzeugen« erfahren: für ihr Buch »Haus der Kunst, München« fand sie heraus, wer dort während der Jahre 1937 bis 1945 arbeitete und ausstellte und wie die alljährliche »Große Deutsche Kunstausstellung« – eine Leistungsschau von Hitler favorisierter Künstler – organisiert wurde.

Seit mehr als zehn Jahren beschäftigt sich Brantl mit dem Museumsbau an der Prinzregentenstraße, 1997 schrieb sie eine historische Arbeit darüber. »Um den Besuchern die Möglichkeit zu geben, sich mit der Geschichte des Hauses auseinander zu setzen«, wie sie sagt. Dass nun zehn Jahre später, pünktlich zum 70. Geburtstag des »Hauses der Kunst«, ein weiteres Werk erscheint, das sich mit der Geschichte der Jahre 1937 bis 1945 beschäftigt, liegt zum einen daran, dass Brantls erste Veröffentlichung vergriffen ist. Zum anderen hat das »Haus der Kunst« mit Chris Dercon seit 2003 einen Direktor, der sich für eine konsequente Aufarbeitung der Geschichte während der NS-Zeit stark macht und auch den »Kritischen Rückbau« des Gebäudes einläutete.

Dercon bat Brantl im Jahr 2004, im Archiv im Keller des Hauses zu untersuchen, ob die dortigen Dokumente für die Forschung relevant seien. Was Brantl dabei entdeckte, war brisant: Im Keller lagen – seit Jahrzehnten unbeachtet – die Karteikarten der ausstellenden Künstler und derer, die sich bewarben, aber abgelehnt wurden. Daneben Rechnungsbücher, die dokumentieren, wer was gekauft hatte und wie viel Geld Hitler für welche Kunst ausgegeben hat.

Nicht nur die Auswertung dieser Funde machen Brantls sorgfältig recherchiertes Buch lesenswert, sondern auch die Tatsache, dass Brantl flüssig, unterhaltsam und spannend die fatale Verbindung von Kunst, Politik und Propaganda im Dritten Reich offenbart.

Die monatelange Arbeit im Keller des »Hauses der Kunst« führte übrigens nicht nur zur Entstehung des Buches: Seit knapp zwei Jahren bietet Brantl auch Führungen durch das historische Archiv an – mit großem Erfolg: »Aus den geplanten drei Führungen im ersten Jahr wurden schnell 30.« Unter den Teilnehmern sind Menschen jeden Alters, Schüler, Studenten, Senioren, die alle mit großem Interesse den eineinhalbstündigen Ausführungen Brantls folgen – das nächste Mal am 25. November ab 14 Uhr. »Die Resonanz auf die Führungen«, resümiert die Autorin, »ist eines der schönsten Ergebnisse meiner Forschungsarbeit.« Infos und Anmeldung unter archiv@hausderkunst.de. Brantls Buch »Haus der Kunst, München. Ein Ort und seine Geschichte im Nationalsozialismus« ist im Münchner Allitera Verlag erschienen und für 14,90 Euro erhältlich. Heidi Keller

Artikel vom 20.12.2007
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