Albrecht Ackerland über Weihnachten

München - „Da schau her“

Die besinnliche Zeit beginnt für mich traditionell am 27. Dezember. Dann, wenn all die Lieben – wie man sie nennt – verpflegt und bedacht sind. Es ist ja wirklich schön, seine Verwandtschaft bei Kerzengeruch und Gansbraten zu treffen. Das Schönste aber sind die Streitereien, die unweigerlich zum Dessert am ersten Feiertag ausbrechen. Nicht, weil die Gans zu fett war, die Crème Bavaroise langweilig schmeckt oder das dritte Mittags-Weißbier einfach schon das zweite zu viel ist.

Nein, jedes Jahr fängt der Onkel Gust den Streit an. Der Gust ist mittlerweile gute achtzig, rüstig wie ein alter Mercedes, immer für einen Spaß zu haben – und unglaublich streitlustig. Das vertragen seine Schwestern gar nicht gut, und so wird gestritten, bis der Christbaum wackelt. Um ehrlich zu sein: Das macht sehr viel Freude. Und: gehört zum Fest der Liebe wie das Kripperl und der drohende Hausbrand. Am zweiten Feiertag geht der Zirkus weiter: Es wird gegessen und gesoffen und geliebt und gestritten. Und in jedem Jahr werden die immergleichen Geschichten erzählt. Muss auch sein.

Vorher werde ich wie all die Jahre zuvor meinen lieben Stress mit den Geschenken gehabt haben. Denn: Auch heuer wieder will ich eigentlich nichts schenken. Aber am heutigen Samstagnachmittag wird mich dann doch wieder eine Geisterhand in die Innenstadt zerren, ich werde einen Glühwein trinken, obwohl ich Glühwein nicht ausstehen kann. Ich werde viel Geld ausgeben und mich furchtbar über die Weihnachtshölle in den Kaufhäusern aufregen. Und mir vornehmen, dass ich im kommenden Jahr wirklich nichts mehr verschenke.

Aber: ist die Weißwurscht am 24. um 11 Uhr aufgeschnitten, dann fühlt es sich auf einmal an, als sei ich ein Kind, das wahnsinnig aufgeregt ist. Stimmt ja auch: Ich freu mich auf die Gust’schen Streitereien und die fette Gans von der Tante Lolli. Und auf den 27. Hallelujah.

Artikel vom 20.12.2007
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