Ramersdorf · »Nein« sagen will gelernt sein

Kindgerecht veranschaulichte das Theater-Präventionsprojekt des Vereins Power Child das Thema sexuelle Gewalt an Kindern. Foto: Privat

Ramersdorf · Die kindgroße Puppe auf der kleinen Bühne springt von ihrer Parkbank auf und wird zum ersten Mal laut und selbstbewusst: »Nein! Ich will keinen Kuss! Kinder, helft mir rufen!« Das lassen sich die Kinder des katholischen Kindergartens »Verklärung Christi« nicht zweimal sagen: »Nein! Nein!« rufen sie gemeinsam mit der verzweifelten Puppe auf der Bühne, die nicht von einem fremden Mann im Park geküsst werden will.

»Sag Ja zu Dir und Nein im richtigen Moment« heißt das Theater-Präventionsprojekt des Kinderschutzvereins Power Child, das in dem Ramersdorfer Kindergarten zu Gast war. Es vermittelt den Drei- bis Sechsjährigen, wie sie bei körperlichen Übergriffen selbstbewusst »nein« sagen und im Notfall Hilfe holen können.

Mucksmäuschenstill ist es im zum Theater umgestalteten Turnraum des Kindergartens in der Adam-Berg-Straße. Gespannt beobachten die Kinder, wie ihr etwa gleichaltriges Gegenüber auf der Bühne unerwünschten Besuch auf seiner Parkbank bekommt, ein größerer Junge ihm seine Tafel Schokolade abnimmt. Alle fiebern mit, wie das schüchterne »kleine Nein« sich im Lauf des Theaterstücks zu einem selbstbewussten »großen Nein« entwickelt.

Kindergarten-Leiterin Barbara Spiegel war durch Mund-zu-Mund-Propaganda auf das Power-Child-Projekt aufmerksam geworden: »In der Ramersdorfer Führichschule hatte im vergangenen Jahr ein Power-Child-Theaterstück für Grundschüler Premiere. Weil wir davon nur Gutes gehört hatten, kamen wir auf die Idee, die Theater-Variante für Kindergartenkinder zu uns einzuladen.« Power Child, ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in München, wurde im April 2002 unter der Schirmherrschaft der Schauspielerin Veronica Ferres gegründet. Vereinsziel ist es nach eigenen Angaben, präventiv gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen zu wirken, Kinder in ihrer Selbstbestimmung zu stärken und die Öffentlichkeit für dieses Thema zu sensibilisieren.

Gesamtkonzept

Das Theaterstück mit den lebensechten Puppen des Neuburger Großfigurentheaters GUKT ist nur ein Baustein des Präventionsprojekts. »Unser Gesamtkonzept richtet sich an Kinder, Eltern und Erzieherinnen«, erklärt Edeltraud Schranner von Power Child. Daher haben sich die Kinder bereits vor dem Theaterbesuch intensiv mit dem Buch »Das große und das kleine Nein« auseinandergesetzt, so dass ihnen die Inhalte des Bühnenstücks bereits vertraut waren. Die Erzieherinnen haben eine Fortbildung zum Thema sexuelle Gewalt an Kindern absolviert, und auch die Eltern waren in das Projekt eingebunden: Bei einem Elternabend haben sie das Stück ebenfalls gesehen und diskutiert und waren so auf Fragen ihrer Kinder vorbereitet. Materialien, Literaturtipps und eine Präventionssprechstunde runden den Projekttag ab. Das Kind auf der Bühne hat am Ende des Theaterstücks seine Lektion gelernt: Es hat sich seinen Platz auf der Parkbank und seine Tafel Schokolade zurückerobert. Und es hat sich erfolgreich gegen die körperliche Annäherung eines fremden Mannes zur Wehr gesetzt.

Auf den Bauch hören

»Seht ihr, wenn man leise und schüchtern ist, hören die Leute nicht zu. Man muss schon laut und deutlich sein, wenn man etwas nicht möchte«, gibt Edeltraud Schranner den 75 Kindern abschließend mit auf den Weg. Ein erster Schritt sei mit dem Projekt getan, dass schon die Drei- bis Sechsjährigen in brenzligen Situationen auf ihren Bauch hören und ihren Willen klar äußern können.

Artikel vom 13.11.2007
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