Albrecht Ackerland über Schulden

„Da schau her“

Eigentlich wäre es ganz einfach: Wird plötzlich klar, dass eines meiner Kinder Schulden hat, richtig hohe Schulden, dann würde ich mich heimlich freuen, weil nun endlich mein Auto ohne Murren gewaschen und das Altglas fast wie von selbst entsorgt wird, meine Schuhe immer poliert sind – und ich nicht mehr fürs Sonntags-Frühstück aufstehen muss. Ich würde ihm – einmalig, versteht sich! – die Schulden zahlen, das aber minutiös abarbeiten lassen. Der Ackerland macht sich’s einfach, denken Sie jetzt? Ja, richtig.

Denn: Ich habe kein Kind, mein Auto muss sowieso nicht sauber sein, ich trinke vornehmlich aus Pfandflaschen, trage meist Turnschuhe, die sich gar nicht polieren lassen. Und am Sonntag frühstücke ich grundsätzlich nicht, ich esse zu Mittag, frühestens.

Noch einfacher aber könnte ich es mir machen, wenn ich sagte: Meine Kinder hätten keine Schulden, weil sie schon früh gelernt hätten, dass man nur sehr wenige Dinge zum Leben braucht. Die Dinge, die man haben muss, weil es einem irgendwer glauben gemacht hat, dass sie lebensnotwendig sind, darf man schön finden und auch haben – aber nur, wenn es der Geldbeutel hergibt. Schwierig wird’s aber bei Telefonaten: Ist ein dreistündiges Telefonat mit der Neuen aus der Parallelklasse lebensnotwendig? Aber ja! Was aber, wenn das Telefonat ein tägliches ist, und die Handyrechnung am Ende des Monats einen Betrag fordert, der fast so viele Euro umfasst wie dieser Text Buchstaben hat?

Das sind die Momente, in denen ich froh bin, mich mit derartigen Problemen nicht herumschlagen zu müssen. Allerdings würde ich es dann doch gerne müssen, denn Kompliziertes ist schließlich immer reizvoll: Wie bringt man einem Kind bei, dass wir ein tolles Wirtschaftssystem haben, das gleichzeitig aber auch jeden Menschen recht schnell ins Unglück treiben kann? Ist Schuldenmachen nicht normal, sogar hilfreich, um weiterzukommen? Sind Werbung und eigentlich überflüssige Produkte nicht auch eine enorme Bereicherung für unser Leben?

Was die dreistündigen Telefonate betrifft, so würde ich jedenfalls raten, die Hübsche lieber öfter zu treffen, gerne auch mehr als drei Stunden. Dann nämlich hätte ich endlich wieder Zeit, in die Boazn ums Eck zu gehen und mir die schauerlichen Geschichten am Tresen anzuhören, die von Schuldenbergen und Schicksalsschlägen und viel zu großen Fernsehern, die viel zu teuer waren, handeln. Ich würde drei Weißbier trinken, hätte aber mein Portemonnaie vergessen und müsste anschreiben lassen. Zum Glück bin ich kein Jugendlicher mehr, der Weg in die Schuldenfalle wäre mir sicher.

Artikel vom 08.11.2007
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