Bürger fordern: »Das Sechzger-Stadion muss bleiben!«

Pro Stadionerhalt

Ein vehementes und argumentativ fundiertes Plädoyer für den Erhalt des Grünwalder Stadions hielt die Mehrheit bei der Bürgerversammlung Untergiesing-Harlaching. Die Stadionbesucher sehen das auch so.

Ein vehementes und argumentativ fundiertes Plädoyer für den Erhalt des Grünwalder Stadions hielt die Mehrheit bei der Bürgerversammlung Untergiesing-Harlaching. Die Stadionbesucher sehen das auch so.

Giesing/Harlaching · Das »Sechzger muss bleiben!« – Mit einer überragenden Mehrheit im prall gefüllten Saal der Osram-Kantine und lediglich gegen eine einzige Stimme unter rund 250 anwesenden Bürgern votierten die Menschen aus Untergiesing-Harlaching bei der Bürgerversammlung des Stadtteils am Donnerstag, 25. November 2007, für den Erhalt des Stadions an der Grünwalder Straße. Die Stadt dagegen favorisiert den Abriss und einen Verkauf des Areals.

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Mobil gemacht hatten die traditionsverpflichteten Freunde und Befürworter einer Zukunft des Traditionstempels bereits im Vorfeld der Veranstaltung mit einem gut aufgemachten und von Argumenten pro Erhalt geradezu strotzenden Flyer des »XX-Tausend e.V.« – einer lagerübergreifenden Initiative von Löwenfans, die sich für einen Erhalt der Spielstätte mit Nachdruck einsetzen. Gut vorbereitet waren auch die Antragsteller selbst – an deren Spitze Roman Beer von den Freunden des Sechzger-Stadions, der sowohl Versammlungsleiterin und Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) wie auch die Vertreter der Verwaltung mit stichhaltigen Argumenten pro Stadionzukunft kenntnisreich unterfütterte und erneut die Stadt für deren Verweigerungshaltung einer Stadionzukunft angriff. Nach dem Ende der Abstimmung zeigte sich auch die Bürgermeisterin beeindruckt: nach diesem phänomenalen Plädoyer und einem ebenso überzeugenden Abstimmungsecho, erklärte die stellvertretende Rathauschefin »nicht ernsthaft ein anderes Ergebnis erwartet« zu haben. In der Tat schienen die Befürworter einer Stadionzukunft deutlich besser vorbereitet als die Vertreter der Stadt, die auch ein zweifelhaftes Uralt-Argument von den »hohen Kosten« streute. Hohe Kosten? Sind die bei einer solch wichtigen wie prägenden sportiv-soziokulturellen Spielstätte nicht berechtigt, fragten sich so manche der Anwesenden auch bei der Bürgerversammlung (siehe Kommentar »Kommerz statt Kultur« ).

Stimmen zum Thema: Schon zuvor hatte auch der stellvertretende Leiter des Münchner Sportamtes mit einem Eingeständnis in der Sache Aufsehen im Saal erregt: laut Günter Schwarz »gibt es keine Ersatzspielfläche für das Grünwalder Stadion!« Eher schwach mutete das Argument von Schwarz und einer Vertreterin des Planungsreferates in der Sache an, das auf 30.000 Zuseher ausgerichtete Stadion werde »durchschnittlich von nur gut 500 Besuchern frequentiert«. Dagegen darf der verwunderte Betrachter dieses Politikum sicher fragen, warum dann eine solch wichtige und häufig bespielte Traditionsstätte keine Zukunft mehr haben soll? Genau in den Schnittpunkt des städtischen Eingeständnisses traf auch ein argumentativer Hauptkeil Roman Beers von den Erhaltungsbefürwortern: »Wo sollen denn die Amateure und A-Jugendteams der Münchner Vorzeigevereine TSV 1860 und FC Bayern künftig hin, wenn die Stadt das Stadion dem Erdboden gleichmacht?«, so Beer. »Rund einhundert Spiele« würden hier pro Jahr durchgeführt – eine Zahl, die übrigens auch der Stadtvertreter Schwarz bestätigte.

»Da gibt es keine Alternativen«, so Beer weiter. Der Stadt warf er einen Schlingerkurs vor – diese habe trotz der wiederholten Abrissabsichtserklärungen »keinen wirklichen Plan« – derzeit ist offiziell von einem Stadionende 2010 die Rede. Bezeichnend laut Beer ist in diesem Zusammenhang auch die Haltung der Stadt, »immer wieder Abrisstermine verschoben« zu haben. Zudem begeht die Stadt nach Meinung der Stadion-Freunde wie Beer auch diverse »Rechenfehler«. Bei einem Verkauf rechne die Stadt nach Informationen der Freunde des Sechzger-Stadions »mit einem Erlös von rund 15 Millionen Euro« – doch den, so Beer weiter, »wird die Stadt in der Realität niemals erzielen«. Eine Einschätzung, die im Saale übrigens nicht nur der Architekt Beer vortrug. Zudem brachte der engagierte Stadionkämpfer auch städtische Aussagen über einen maroden Zustand der Kultarena gehörig ins Wanken.

»Nach umfangreichen Renovierungen zum Saisonstart 2004/2005 langzeitig Regionalliga-tauglich« sei die fast 100-jährige Heimat der »Löwen«. Lediglich in kleinen Teilbereichen (West) seien noch Reparaturen fällig. Die DFB-Auflagen von einem Stadion mit mindestens 10.000 verfügbaren Plätzen »übererfülle« die Arena dennoch deutlich. Deutlich betonte Beer auch die Einigkeit der beiden Großvereine in der Sache – denn nicht nur beim TSV 1860 stehen Präsidium und Geschäftsführung entschlossen hinter dem Projekt Stadionerhalt. Für den Vorstand des FC Bayern hatte zuletzt Karl Hopfner vom »sinnvollen Spielort 60er-Stadion« gesprochen und damit ein eindeutiges Plädoyer der »Roten« vorgebracht. Auch mit dem örtlichen Bezirksausschuss gibt es eine breite Linie des Einverständnisses vonseiten der Stadionbefürworter.

Für den örtlichen BA hatte Bezirksausschuss-Vorsitzender Thomas Schwindel in seinem Rechenschaftsbericht »eine rein kommerzielle Verwendung« des Areals ohnehin entschieden abgelehnt und etwa soziale Mitnutzungen favorisiert. Eine Einschätzung, die auch Beer mit Blick auf ein zukunftsträchtiges Stadionentwicklungsprojekt in Basel teilte. Dort sei im Stadionkomplex ein ganzes Altenzentrum integriert worden – warum solle das in München »nicht gehen«, so der Stadionkämpfer streitlustig. Wobei mit Susanne Gallarago-Guerrero aus Giesing auch eine weitere Stadionunterstützerin einen wichtigen Aspekt pro Erhalt ins Spiel brachte: denn sollte anstelle des Stadions dort eine »Mischnutzung« aus Gewerbe und Laden-Discountern entstehen (um die immensen Realisierungskosten möglicher Investoren zu refinanzieren) sei auch die pulsierende, traditionsreiche und durch großen Branchenmix überzeugende Ladenlandschaft und ein funktionierendes Stadtteilzentrum an der Tegernseer Landstraße ernsthaft bestandsgefährdet.

Wie viele Giesinger ähnlich denken, zeigte der Applaus im Saale. Wortführer Beer und Andreas Schmied als weiterer Stadionbefürworter stellten schließlich die offene Frage, wo die Teams künftig spielen sollten, wenn das Grünwalder Stadion tatsächlich abgerissen werde? Wie erwähnt gibt es hier seitens der Stadt keinerlei Antworten. Offensichtlich dachten viele im Saal, was Stadtteilbürgerin und Fußballfan Stephanie Dilba in ihrem Wortbeitrag resümierte: »Unvorstellbar« sei es, »dass dieses Stadion einmal nicht mehr da sein könnte!« Welche Mehrheit Dilba und Co. mit dieser Einschätzung hinter sich brachte, zeigte das Abstimmungsergebnis mehr als deutlich. Harald Hettich

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar Kommerz statt Kultur

Artikel vom 02.11.2007
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