Die Stadtwerke lassen die Erde beben

München - Auf der Suche nach Warmwasser

Keine Angst vor großen Trucks: Hier wird nur nach Warmwasser gesucht. Foto: SWM

Keine Angst vor großen Trucks: Hier wird nur nach Warmwasser gesucht. Foto: SWM

Hat bei Ihnen in den letzten Tagen auch die Erde gebebt und das Geschirr im Schrank geklirrt? Dann sind wahrscheinlich auch bei Ihnen Vibroseis-Fahrzeuge vorbeigefahren – um nach Energie unter der Stadt zu suchen… Seit einigen Tagen sind die riesigen Monster-Trucks im Konvoi unterwegs und lassen immer wieder die Erde beben.

Die Wissenschaftler, die in den Fahrzeugen sitzen und die Druckwellen messen, wollen herausfinden, ob es sich lohnt, in München nach Erdwärme zu bohren.

Auftraggeber der monströs wirkenden Untersuchungen sind die Stadtwerke München. Dass gerade München – als erste deutsche Großstadt – untersucht wird, liegt an den geologischen Gegebenheiten im Alpenvorland. 3.000 Meter unter der Stadt befindet sich die so genannte Malm, eine poröse Kalksteinschicht, in der sich 90 Grad heißes Wasser befindet, das man zur Gewinnung von Heizwärme oder anderer Energie nach oben pumpen kann. „Es ist in Deutschland einzigartig, dass eine Millionenstadt auf so einem Schatz sitzt“, erklärt Projektleiter Werner Rühle von den Stadtwerken.

Untersuchungen, wie genau diese Kalkschicht aussieht, gab es bisher aber nur im Münchner Umland – in Unterschleißheim, Sauerlach, oder auch in der Messestadt Riem. Dort werden seit 2004 neun von zehn Menschen mit Erdwärme versorgt. Am Stadtgebiet selbst hatten die Öl- und Gasfirmen, die damals dahinter standen, kein Interesse - sie hätten nie eine Genehmigung bekommen, dort nach ihren Rohstoffen zu bohren. Die Stadtwerke holen das nun nach. Sie sind auf der Suche nach Standorten für neue Geothermiekraftwerke, um ihre Selbstverpflichtung zu erfüllen: Bis zum Jahr 2020 wollen sie zwanzig Prozent ihrer Energie aus regenerativen Quellen gewinnen.

Die Messungen laufen dabei wie folgt ab: Drei so genannte Vibroseis-Fahrzeuge – die anderen Autos sind nur Begleitwagen – senken schwere Platten auf den Boden, die Vibrationen ähnlich einem tiefen Basston verursachen. Das Echo, das die Erdschichten dabei abgeben, wird von Sensoren aufgenommen. Die Daten werden gesammelt und schließlich ein 3D-Bild des Untergrundes erstellt. Ziel der Messungen ist es, Risse in der unterirdischen Kalkschicht ausfindig zu machen, die das Aufpumpen des heißen Wassers vereinfachen.

Derartige Messungen in einer Großstadtumgebung stellen die Wissenschaftler allerdings vor diverse kleine und große Probleme. Über Abwässerkanälen und U-Bahn-Röhren können sie nicht messen, weil die Schallwellen nicht durch die Betonwände kommen. Aber auch an anderen Stellen ist es nicht einfach, die Messgeräte fest mit dem Untergrund zu verbinden. An vielen Stellen müssen die Techniker improvisieren und die Sensoren unter Bodenplatten einklemmen oder mit Sandsäcken befestigen. Hinzu kommt, dass der Großstadtlärm manche Messversuche unbrauchbar macht - ebenso wie unachtsame Passanten, wenn sie über die vielen hundert Meter ausgelegten Kabel stolpern.

Eine weitere Schwierigkeit für den Messtrupp sind die Anwohner. In umstehenden Häusern kann es durch die Messungen zu Erschütterungen kommen. Rühle sei von „klirrenden Gläsern und klappernden Scannerdeckeln“ berichtet worden, Schlimmeres haben die Anwohner aber nicht zu befürchten. Durch ständige Erschütterungsmessungen wird sichergestellt, wie starke Schallwellen ausgesendet werden können, ohne dass etwas zu Bruch geht.

Störender für die Anwohner ist wohl eher der Lärm, der von den Lastwagen verursacht wird, die zum Messen immer wieder einige Minuten stehen bleiben. Darum darf die Wanderbaustelle auch nicht nachts ihre Kreise ziehen – obwohl sie da weniger mit dem Stadtverkehr ins Gehege kommen würde.

Die auf sechs verschiedenen Routen vorgenommenen Messungen werden im Oktober abgeschlossen. Ergebnisse werden wohl erst Anfang 2008 kommen – dann muss in einer Wirtschaftlichkeitsanalyse noch geklärt werden, ob sich die Bohrung rentiert. Ist die Hürde überwunden, muss noch ein geeigneter Platz zum Bohren gefunden werden: Etwa 4.000 Quadratmeter muss die Stadt dann für etwa ein halbes Jahr entbehren können. „Am besten wäre da ein Park oder eine noch nicht genutzte Bebauungsfläche“, erklärt Rühle. Von Martin Hoffmann

Artikel vom 13.09.2007
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