Schwer integrierbare Jugendliche finden bei Pikassio Halt und ein offenes Ohr

Au · Der Ernst des Lebens

Sozialpädagogin Friedericke Schulz bringt es auf den Punkt: »In Ton zu greifen ist für viele Jugendliche heute eine Herausforderung – wir helfen.«  Foto: ks

Sozialpädagogin Friedericke Schulz bringt es auf den Punkt: »In Ton zu greifen ist für viele Jugendliche heute eine Herausforderung – wir helfen.« Foto: ks

Au · Für die einen begann am Dienstag mit dem neuen Schuljahr wieder der Ernst des Lebens, andere nehmen die Schule gar nicht ernst. Für diejenigen Schüler, die beispielsweise aus familiären Gründen oder Mobbing die Schule nicht mehr regelmäßig oder gar nicht mehr besuchen, ist das Schul- und Arbeitsprojekt »Pikassio«, am St.-Wolfgangs-Platz in der Au, ein Anlaufpunkt.

»Bei uns landet man, wenn man in die Schul- oder Berufswelt nicht mehr integrierbar ist und keinerlei Verpflichtungen einhält«, erklärt Leiterin Friedericke Schulz. Sie hat bereits 1999 den Bedarf an gezielter Einzelförderung von Jugendlichen gesehen und konnte auch das Jugendamt von ihren Plänen überzeugen. Dieses finanziert die Einrichtung zu hundert Prozent. »Das Projekt ist einzigartig in München und von enormer Wichtigkeit. Hier finden die schwierigsten Fälle Hilfe«, bestätigt Stefan Fischer vom Jugendamt.

Generell sei die Zahl schwieriger Fälle steigend. »Vor allem Verhaltensauffälligkeiten häufen sich, aber mittlerweile haben wir auch mit immer mehr Schulausschlüssen zu kämpfen«, erklärt Fischer. Seither finden bis zu 26 Jugendliche bei Pikassio Platz, zehn stehen mittlerweile schon auf der Warteliste, um in das Projekt aufgenommen zu werden.

Eine Stunde am Tag werden sie dann entweder in einem Schulprojekt betreut oder nehmen an einem Arbeitsprojekt teil. Hierfür gibt es eine Fahrradwerkstatt, eine Keramikabteilung, eine Schreinerei und einen Hauswirtschaftsbereich in denen Jugendliche bis 21 Jahre einen geregelten Tagesablauf wieder neu lernen können.

Ziel ist es, alle Bereiche einmal durchlaufen zu haben. »In der Schreinerei fertigen wir beispielsweise Regale für Kindergärten an«, schildert Schulz. Das Team, das aus Pädagogen und Sozialpädagogen in Teilzeitbeschäftigung besteht kümmert sich im Schulprojekt einzeln um die Schüler, im Arbeitsprojekt arbeiten bis zu vier Jugendliche gemeinsam mit einem Betreuer.

Ziel ist es, einen Hauptschulabschluss zu machen, oder einen Ausbildungsplatz zu finden. »In diesem Jahr hat es bei 23 Jugendlichen geklappt, drei blieben leider auf der Strecke«, erzählt Schulz. Das sei laut Fischer nicht ungewöhnlich, denn auch die Ausbildungsanforderungen seien gestiegen: »Viele Berufe, die man früher mit einem Hauptschulabschluss lernen konnte, setzen heute einen Realschulabschluss voraus«, meint Fischer. Schulz setzt mit ihrem Team zunächst alles daran den Schülern, die in einen »Frustrations-Kreislauf« geraten sind, diesen zu sprengen. Dabei werden ihre Tagesabläufe gezielt geplant und bewusst nur kleine Abmachungen getroffen: »Wenn ich merke, dass ein Jugendlicher ein Jahr keinen geregelten Ablauf hatte, fordere ich nicht von ihm, dass er morgens um acht Uhr bei mir erscheint. Dann kann es auch reichen, wenn er mir verspricht einmal die Woche zu kommen. Die Entscheidung liegt dabei bei ihm«, meint Schulz. In enger Zusammenarbeit mit den Eltern überprüft dann auch das Jugendamt den Erfolg der Schüler. »Das Jugendamt informiert sich regelmäßig, ob die Arbeit erste Erfolge bringt. Ist dies nicht der Fall, muss der auf jeden Jugendlichen persönlich zugeschnittene Hilfeplan überarbeitet werden.«, erklärt Schulz.

Das geht oftmals nur in kleinen Schritten, aber die lohnen sich für Schulz: »Manchmal bekommen wir im Nachhinein ein Feedback und das ist meistens doch positiv.« ks

Artikel vom 11.09.2007
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