Albrecht Ackerland über Fleischpflanzerl

München - „Da schau her“

Eigentlich wollte ich den Sommer schön brav in der Heimat verbringen - mit Voralpen, Schweinsbraten, Seen und angenehm grantig-wortkargen Mitmenschen. Dann aber kam alles anders: Ich wurde nach Chicago eingeladen. Einfach so. Chicago ist die drittgrößte Stadt der USA, liegt im nördlichen Mittleren Westen und dazu noch an einem See.

Also musste ich von meinem ursprünglichen Plan nicht ganz soweit abrücken, auch wenn jener See ein klein wenig größer als der Tegernsee ist: Der Lake Michigan ist in etwa so groß wie die Bundesrepublik.

Alles schon Grund genug, sich in den Flieger zu setzen, dazu – das hatten meine Recherchen ergeben – gibt es in Chicago ein „Brauhaus“, das „Shnitzl“ serviert. Prost, Mahlzeit, let’s go!

Schon wohnte ich also bei Kathie in Chicago. Kathie ist eine Cousine siebzehnten Grades, ungefähr jedenfalls. Ihre Großmutter war von Rosenheim in die USA ausgewandert, und der letzte bayerische Rest, den Kathie noch besitzt, war die Kenntnis der Vokabeln „Prost“ und „Mahlzeit“.

Um der lieben Kathie („How are you, darling?“) und ihrer Seele ein Stück Bayern zu verabreichen, versprach ich, am Abend Fleischpflanzerln zu machen. „Richtig schöne saftige Pflanzerl, verstehst? Auf dass du mit deinen 75 Jahren mal merkst, dass es noch was anderes gibt als diese uninspirierten Burgerbulletten!“ Sie verstand freilich kein Wort, nickte aber fröhlich und erwiderte: „Yes, my darling, Germany is beautiful!“ Recht hat sie, dachte ich mir, zumindest der Teil mit den Alpen, und fuhr zum nächsten „Supercenter“ – das sind Supermärkte von der Größe der Münchner Innenstadt.

Dass man hier nicht wie bei uns an die Fleischtheke geht und ein Pfund „Hack halb und halb“ bestellt, musste ich erst lernen. Hackfleisch gibt es, oh ja! Zehn laufende Meter Kühlregal widmen sich diesem Grundnahrungsmittel. Dabei geht es den Amerikanern wohl ähnlich wie mir, und sie finden fertig abgepacktes Hackfleisch nicht so schön. Doch anstatt es sich frisch durchdrehen zu lassen, verpacken sie es blickdicht in einer Presswurst, die kleinste Einheit misst etwa drei Kilo. Auf der Presswursthaut sind leckere Fleischgerichte aufgedruckt, umringt von knallbunten Comic-Helden.

Kathie hatte mittlerweile halb Chicago eingeladen. Wie ein exotisches Tier beobachteten die Damen im reifen Alter den Mann mit dem Hack. Ich hatte trotz der widrigen Bedingungen – bekommen Sie mal trockene Brezn in Chicago! – dann doch ganz anständige Pflanzerl hinbekommen, was wohl auch an der inspirierenden Wirkung meines Lieblings-Weißbiers lag, das sie tatsächlich im Supercenter vorrätig hatten.

Als alle Pflanzerl gebraten waren, fragte ich mich, ob ich die Eier vergessen hatte – das Gegackere war kaum noch auszuhalten. Ich entschuldigte mich für einen Augenblick bei den Golden Girls. Dieser sollte allerdings etliche Stunden dauern: Denn so ein Hamburger im Ursprungsland hat schon was für sich. Und noch einer. Und noch einer. Mahlzeit, it’s beautiful in the USA!

Artikel vom 30.08.2007
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