Benefizspiel FC Bayern gegen FT Gern – Daniela Lahm im Dauerstress

Gern · Fußballmutter unter Strom

Medienprofi – Daniela Lahm bei einem ihrer zahlreichen Interviews. 	Foto: Heiko Trurnit

Medienprofi – Daniela Lahm bei einem ihrer zahlreichen Interviews. Foto: Heiko Trurnit

Gern · Die Tore des Münchner Dantestadions sind noch verschlossen. Im Innenraum eilt umtriebig eine Frau umher. »Fragts mi, i woas ois«, steht in weißen Lettern auf der Rückseite ihres grünen Poloshirts. In der Kombination mit ihren roten Haaren und der modischen Brille sticht sie aus der Menge der schwarz gekleideten Ordner heraus.

Doch es gibt noch etwas, das Daniela Lahm von ihren Mitstreitern unterscheidet: Sie erwartet heute ihren Sohn im Stadion, der mit dem FC Bayern München für 90 Minuten zu seinen Wurzeln zurückkehrt. Philipp Lahm hat bei der FT Gern das Fußballspielen gelernt, heute ist er eine feste Größe beim deutschen Rekordmeister sowie in der Nationalelf.

Im Gegensatz zu ihm ist Daniela Lahm in Gern geblieben. Seit 10 Jahren ist sie dort als erfolgreiche Jugendleiterin beschäftigt. Aber ihr Engagement beschränkt sich nicht nur auf die Jugendarbeit. Zum großen Teil ist es ihrem Einsatz zu verdanken, dass der FC Bayern heute gegen die Kreisligamannschaft der FT antritt und so Geld in die Vereinskasse spült. Geld, das dringend für den Neubau eines Kabinentraktes benötigt wird.

Die Gerner Spieler machen sich andächtig zur Platzbegehung auf und setzen in Gedanken bereits zum ersten Dribbling gegen die Bayernstars an. Hinter den Kulissen bleibt keine Zeit zum Sinnieren. Daniela Lahm wird von Mädchen mit Ordnerbinden umzingelt. »Ihr solltet euch noch etwas zum Trinken mitnehmen. Wer weiß, wann ihr von eurem Platz wieder wegkommt«, sagt sie und erfüllt so unweigerlich das Klischee der »Mutter des Vereins«.

Daniela Lahm schreitet zum Getränkestand. Eine Minute später kehrt sie mit einigen kleinen Wasserflaschen und verdutztem Gesicht zurück. »Wahnsinn! 21 Euro. Die machen ein sauberes Geschäft«, krittelt die 53-Jährige, die weiß, dass von diesen Einnahmen kein Cent bei »ihrer« FT Gern hängen bleibt. Nachdem die zwei Mädels versorgt sind, verteilt Lahm die restlichen Flaschen – keiner soll leer ausgehen. Dazwischen immer wieder Telefonate entgegennehmen und Hände schütteln.

Um 16 Uhr hat das Warten von hunderten Fans vor dem Stadion ein Ende – die Tore öffnen sich. Der Charthit »Ruby, Ruby, Ruby« knarzt aus den in die Jahre gekommenen Lautsprechern und wirkt wie eine Hymne für die hereinströmenden Massen. Unter ihnen sind auch die Kinder, die mit den Spielern einlaufen dürfen. Aufgeregt stürmen sie in ihre Umkleidekabine und schnappen sich die Trikots. Doch zwei Leiberl bleiben übrig. Etwas genervt durchsucht Daniela Lahm ihre Liste nach den Namen der Schwänzer. »Alle haben meine Telefonnummer. Ich versteh das nicht«, ärgert sich Lahm. Sie hat zwar kaum Mühe, für diesen Job passenden Ersatz zu finden, aber jedes unvorhergesehene Ereignis lässt die Vorbereitung ein Stück weit zerbröckeln.

Trotz der Hektik kommt Daniela Lahm pünktlich zum Einlaufen der Teams. Sie kniet auf einer Treppe der Haupttribüne. Einen festen Platz hat sie heute nicht. Bis kurz vor dem Anstoß, den ihr Mann, Roland »Rolli« Lahm, ein Gerner Urgestein, ausführen wird, läuft alles nach Plan. Doch plötzlich herrscht Verwirrung auf dem Rasen. Während der Wimpelübergabe nimmt der Gerner Kapitän dankend den Bayern-Wimpel entgegen und stellt fest, dass der eigene fehlt.

»Na, die haben jetzt nicht den Wimpel vergessen!?«, stöhnt Daniela Lahm ungläubig. Eben diesen Wimpel hatte sie noch kurzfristig sticken lassen und mit ach und krach erst wenige Stunden zuvor geliefert bekommen. Das gute Stück bleibt verschollen und taucht erst im Laufe des Spiels wieder auf.

Anpfiff. Der FC Bayern beginnt verhalten. Doch nach zehn Minuten hat der Rekordmeister seine Form gefunden und legt mit dem 1:0 den Grundstein für ein Schützenfest. Mutter Lahm ist derweilen schon wieder unterwegs um bei den Souvenirständen nach dem Rechten zu sehen. Die neun Tore, die die Startruppe bis zur Halbzeit erzielt, bekommt sie lediglich durch die Stadiondurchsage mit.

In der Halbzeit ist für die quirlige Fußballmutter »Showtime« angesagt. Zahlreiche Journalisten reissen sich um ein Interview mit ihr. Immer die gleichen Fragen prasseln auf sie ein, aber Daniela Lahm bleibt gelassen. Selbst dann, als sie an der Seite von Bayern-Manager Uli Hoeneß Rede und Antwort stehen muss. »Am Anfang ist der Umgang mit der Presse nicht einfach. Aber nach einer Zeit gewöhnt man sich daran«, sagt Lahm ohne jegliche Spur von Überheblichkeit. Die Interviews ziehen sich bis tief in die zweite Spielhälfte hinein.

Als Lahm sich gerade durch die Menge kämpft, schallt es unter tosendem Applaus euphorisch aus den Lautsprechern: »Torschütze Philipp Lahm«. Für einige Sekunden bleibt Daniela Lahm stehen und verdreht die Augen: »Mist! Das hätt' ich jetzt schon gern gesehen.« Die letzten Spielminuten lässt sie sich nicht entgehen. Die Bayern führen bereits mit 18:0. Doch der Spielstand ist Daniela Lahm gleichgültig. Stolz schaut sie auf die vollen Ränge, tippt einem Gerner Ordner auf die Schulter und grinst: »10.000 Zuschauer dürften es schon sein. Das reicht für die neuen Kabinen.«

Sie ist sichtlich stolz auf sich und die zahlreichen Helfer. Abpfiff – ein letztes Mal blickt Daniela Lahm auf ihr Handy. Der Akku neigt sich dem Ende zu. Abgekämpft, aber glücklich murmelt sie: »Meiner hält auch nicht mehr lange.«

Artikel vom 24.07.2007
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