Jeder dritte Münchner engagiert sich ehrenamtlich

München - Die Unersetzlichen

Gerhard Reich arbeitet als ehrenamtlicher Schulweghelfer. Bild: ras

Gerhard Reich arbeitet als ehrenamtlicher Schulweghelfer. Bild: ras

Ohne ehrenamtliche Helfer würde es traurig aussehen in der Stadt: In sämtlichen Bereichen packen sie nahezu unentgeltlich zu, sie geben Deutschkurse für Ausländer, planen Spielplätze, arbeiten als Schulweghelfer. Jeder dritte Münchner engagiert sich inzwischen ehrenamtlich, sowohl Berufstätige als auch Ruheständler tragen so zum Wohle der Gesellschaft bei.

Warum Gerhard Reich jeden Tag Punkt 12.10 Uhr am Zebrastreifen an der Säbener Straße steht, weiß er ganz genau: „Es ist einfach ein schönes Gefühl zu helfen. Außerdem komme ich mit vielen Leuten ins Gespräch“, freut sich der Rentner. Eine Stunde später wird der Schulweghelfer Hunderte von Schulkindern über die viel befahrene Straße in Harlaching begleitet haben. Reich ist ehrenamtlich tätig und gehört damit zu den knapp 30 Millionen Deutschen, ohne die in Deutschland nicht mehr viel gehen würde: „Das Ehrenamt ist unersetzbar geworden. Ohne die vielen freiwilligen Helfer könnten wichtige Versorgungsbereiche im öffentlichen Leben nicht aufrecht erhalten werden“, sagt Marieluise Dulich.

Sie leitet die Agentur „Tatendrang“, eine Informations- und Vermittlungsstelle im Lehel für freiwillige, soziale Arbeit. Dutzende Male klingelt ihr Telefon am Tag, Mangel an Arbeit herrscht hier nicht. Dulich staunt immer noch, wie groß die Hilfsbereitschaft der Münchner ist. „Oft bekommen wir Anfragen von Leuten, die genaue Vorstellungen davon haben, wie sie helfen wollen. Wir versuchen, eine entsprechende Stelle zu vermitteln.“

Aber auch für Bürger, die nicht genau wissen, wie sie der Gesellschaft nützen können, gibt es Aufgaben in Hülle und Fülle: Die Agenturleiterin und ihre fünf Mitarbeiter versuchen in individuellen Gesprächen herauszufinden, worin die Stärken des Bewerbers liegen und wie er am besten eingesetzt werden kann. Auch formale Voraussetzungen wie zeitliche Verfügbarkeit spielen eine große Rolle. „Es nutzt nichts, wenn jemand bei der Freiwilligen Feuerwehr mitarbeiten will, aber abends keine Zeit hat.“

Rund 700 Personen vermittelt „Tatendrang“ jährlich. Das Ehrenamt ist auf dem Vormarsch: Waren es 1991 noch 17 Prozent der über Zwölfjährigen Deutschen, die sich unentgeltlich engagierten, hat sich ihr Anteil acht Jahre später bereits verdoppelt. 2004 lag die Quote bei 34, inzwischen arbeiten rund 35 Prozent der hiesigen Bürger ehrenamtlich. Ein Blick in andere EU-Länder zeigt, dass Deutschland hierbei fast an der Spitze liegt: Allein die Briten sind engagierter. Die Wertschöpfung der sozialen Arbeit in Deutschland beträgt übrigens unglaubliche 75 Milliarden Euro.

In München gibt es nahezu keinen Bereich, in dem man sich nicht betätigen könnte: Ob bei den Sozialdiensten wie dem Bayerischen Roten Kreuz, den Maltesern oder dem Technischen Hilfswerk, ob bei Fußball- und anderen Sportvereinen, ob in der Münchner Aidshilfe, als Blutspender oder als Politiker im eigenen Stadtbezirk: Helfende Hände werden überall benötigt. Wer sich ganz unpolitisch bei der Planung und dem Bau von Spielplätzen beteiligen will, muss ebenfalls nicht lange auf eine Einsatzmöglichkeit warten: Das Baureferat nimmt jede Anregung gerne auf. Ferner gibt es Patenschaften für Grünanlagen, für Spielplätze und sogar für Biotope. Auch Exotisches kommt nicht zu kurz: Wer etwa Fledermäuse liebt, kann als „Fledermausschützer“ Tag und Nacht für die Tiere da sein.

Was aber treibt die Menschen dazu, sich nach einem harten Arbeitstag noch eine weitere, oftmals anstrengende Tätigkeit zu suchen, für die sie höchstens minimal entlohnt werden? Es ist dieses Gefühl des Gebrauchtwerdens, des völlig uneigennützigen Daseins für andere, das diese Tätigkeit so attraktiv macht, ist „Tatendrang“-Chefin Dulich überzeugt. Sie hat übrigens bemerkt, dass die Qualität der Arbeit manchmal besser ist, wenn kein Geld im Spiel ist: „Wenn jemand freiwillig bei alten Leuten oder Pflegebedürftigen im Krankenhaus vorbei schaut, dann bringt er meist mehr Herzblut mit.“ „Tatendrang“ ist über die Telefonnummer 2 90 44 65 zu erreichen. Von Rafael Sala

Artikel vom 05.07.2007
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