In den kommenden zehn Jahren werden drei Schulen gebaut. Reicht das?

Münchens Gymnasien sind proppenvoll

Lust auf Bildung: Münchens Schüler stürmen derzeit in Massen auf hiesige Gymnasien. Bild: Archiv

Lust auf Bildung: Münchens Schüler stürmen derzeit in Massen auf hiesige Gymnasien. Bild: Archiv

München kümmert sich um den Bildungshunger: Die Stadt hat in der vergangenen Woche beschlossen, in den kommenden zehn Jahren für 110 Millionen Euro drei neue Gymnasien zu bauen sowie bestehende Gymnasien zu erweitern. Das klingt gut – was aber nützen die Neubauten, von denen der erste frühestens im Jahr 2013 fertiggestellt ist? Schließlich stürmen bereits jetzt zahlreiche Fünftklässler in die Schulen.

12.388 Schüler zählen Münchens 37 staatliche und städtische Gymnasien – 3.500 mehr als noch im Schuljahr 2003/04. Und es werden noch mehr – mindestens bis 2020 steigen die Schülerzahlen. Mehr Übertritte als je zuvor sowie geburtenstarke Jahrgänge lassen sogar vernachlässigen, dass im Jahr 2011 die ersten Abiturienten ihre Schule nach dem Modell G8 – also bereits nach achtjähriger Gymnasialzeit – verlassen.

Für Schüler wie Lehrer bringt dieser Ansturm auf die Gymnasien zunächst nur Nachteile: Weil es in Oberbayern im kommenden Schuljahr vier bis fünf Prozent mehr Fünftklässler als im Vorjahr gibt, werden sich in der Regel 31 bis 33 Schüler in ein Klassenzimmer zwängen. Manche von ihnen werden darüber hinaus einen langen Schulweg in Kauf nehmen müssen: denn einige Münchner Schulen haben Aufnahmestopps verhängt oder ungewöhnliche Auswahl-Verfahren angewandt: Im Münchner Pestalozzi-Gymnasium etwa wurden die Plätze für die fünften Klassen verlost.

Das bayerische Kultusministerium aber verkauft den Run auf die Gymnasien als reine Frohbotschaft: der Andrang beweise, dass das achtjährige Gymnasium endgültig anerkannt sei. Hans-Ulrich Pfaffmann hingegen, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und scharfer Kritiker des Kultusministers Siegfried Schneider (CSU), hält die neue Beliebtheit der bayerischen Gymnasien nicht für einen Verdienst des G8-Modells – der Wille zu höherer Bildung sei vielmehr „auf die Angst vieler Eltern um einen guten Schulabschluss ihrer Kinder zurückzuführen“.

Vorbereitet auf einen solchen Ansturm seien die Gymnasien nicht: „Es fehlt an allen Ecken und Enden sowie an Lehrern und Lehrerinnen. Damit gerät die gute Ausbildung der Schülerinnen und Schüler am Gymnasium in Gefahr“, so Pfaffmann. Der Landtagspolitiker fordert, die Schulräume auszubauen und mehr Lehrer einzustellen.

Konkret fehlen in München 300 Klassenräume. Besonders angespannt ist die Lage im Münchner Osten, wo neue Wohnviertel in Riem und Trudering viele Familien mit Gymnasiasten-Kindern angelockt hatten. Weil es in der Gegend kein Gymnasium gibt, müssen die Schüler des 15. Stadtbezirks bislang nach Haar oder ans Michaeli-Gymnasium ausweichen. Letzteres wurde in den siebziger Jahren für 800 Gymnasiasten gebaut, derzeit besuchen 1.200 Schüler die Schule in Berg am Laim.

Drei neue Gymnasien sollen in den kommenden zehn Jahren entstehen, wie der Münchner Stadtrat in der vorigen Woche beschlossen hat, eins davon in der Truderinger Friedenspromenade. Bereits seit den 80er-Jahren wird hier eine Baufläche freigehalten – 2013 soll die Schule endlich fertig sein. Ferner soll bis 2015 eine Schule im Münchner Norden gebaut werden, eine Gegend, die bislang vernachlässigt wurde. SPD-Stadträtin Diana Stachowitz: „Wenn sich ein Gymnasium vor der Haustür befindet, zieht dies auch Kinder aus einkommensschwächeren Familien an.“ Und schließlich bekommt Freiham – voraussichtlich 2016 – das dritte Gymnasium.

Die Stadt lässt sich den Bau der drei neuen Schulen 100 Millionen Euro kosten – für den laufenden Betrieb allerdings will Stachowitz den Freistaat in die Pflicht nehmen: „Die Regierung von Oberbayern hat uns in einem Brief mitgeteilt, dass sie nur den Bedarf für eine einzige Schule sieht“, sagt die SPD-Frau. „Ich erwarte aber, dass der Freistaat die Analyse der Stadt akzeptiert und seiner Verfassungspflicht nachkommt, indem er den Bedarf der Münchner erfüllt.“

Hier wird sie noch Überzeugungsarbeit leisten müssen: Denn Kultusminister Schneider hat anderes im Kopf als die Münchner Stadträte, wenn er von Klassengrößen spricht: Er fordert etwa, dass künftig „höchstens 34 Kinder“ in einer Klasse untergebracht werden. „Ein Witz“ sei das, urteilt hingegen Bildungspolitiker Pfaffmann. „Bei dieser Größe ist eine individuelle Förderung nicht möglich.“ Auch die Landeselternvereinigung für Gymnasien hält maximal 25 Schüler pro Klasse für sinnvoll.

Damit sich die Lage an Münchens Schulen nicht erst ab 2013 entspannt, soll zuvor schon mehr Raum für die Bildung geschaffen werden: 10 Millionen Euro will der Stadtrat in den Ausbau bestehender Schulen stecken, das Michaeli-Gymnasium in Berg am Laim etwa soll 17, das Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium in Bogenhausen vermutlich acht neue Klassenzimmer bekommen.

Damit ist nur die Hälfte des Problems gelöst: „1.100 Gymnasiallehrer scheiden im kommenden Schuljahr aus, für die frei werdenden Stellen gibt es nur 500 Bewerber“, rechnet Pfaffmann vor. Und auch inhaltliche Kritikpunkte gibt es: Lehrpläne und Schulbücher müssen dringend endgültig auf das G8-Modell angepasst werden. Das räumt selbst Kultusminister Schneider ein, der kürzlich in einem Interview sagte: „Es gibt immer wieder Beispiele, wie man es besser nicht machen sollte.“

Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 05.07.2007
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