Sankt Joseph bietet Theater und Therapie – und sucht noch Laien-Schauspieler

München · Biedermänner gesucht!

Die Laien-Schauspieler von Sankt Joseph waren »Die kleinen Verwandten« Ludwig Thomas.  Für ihre nächste Aufführung »Biedermann und die Brandstifter« suchen sie noch Unterstützung.	Foto: Privat

Die Laien-Schauspieler von Sankt Joseph waren »Die kleinen Verwandten« Ludwig Thomas. Für ihre nächste Aufführung »Biedermann und die Brandstifter« suchen sie noch Unterstützung. Foto: Privat

Schwabing/Maxvorstadt · Wer beim Theaterprojekt der Sankt-Josephs-Kirche das Zepter in der Hand hält, ist klar – energisch steht Schwester Bertholda vor der Bühne des Pfarrhauses und gibt Regieanweisungen. Dabei läuft sie im Raum auf und ab, überhört keinen einzigen Textfehler und scheint überall zugleich zu sein. Gerade beginnen die Proben zu Max Frischs »Biedermann und die Brandstifter«, im November soll Premiere sein.

Das Theater in der Sankt-Josephs-Kirche am Josephsplatz unterscheidet sich kaum von anderen Laienspielgruppen. Nur darin, dass die Regisseurin Nonnentracht trägt und die meisten Schauspieler Arbeitslose sind.

»Wenn man auf der Bühne steht, sieht einem keiner mehr an, dass man arbeitslos ist oder war«, ist die einhellige Meinung der Schauspieler. Durch das Projekt, das vor einem Jahr aus der Arbeitsloseninitiative »Aktion Auswege« der Sankt-Josephs-Kirche entstanden ist, kommen die Schauspieler aus ihren alltäglichen Problemen heraus. Sie trauen sich mehr zu, schlüpfen in verschiedene Rollen und können neue Persönlichkeiten ausprobieren. »Durch das Theaterspielen bekommt man eine ganz andere Körpersprache, man kann frei reden und lernt, sich auszudrücken«, sagt Hans Berger (Name von der Redaktion geändert), der im Stück die Hauptfigur, Gottlieb Biedermann, spielt. Berger wollte ursprünglich lediglich als Regieassistent dabei sein, aber solche halben Sachen gibt es bei Schwester Bertholda nicht: Wer kommt, spielt mit. Egal, welchen Hintergrund er hat. »Arbeitslos, nicht arbeitslos – Hauptsache, die Leute nehmen das Projekt ernst und man kann sich auf sie verlassen«, ist der Leitsatz der Schwester.

Das Theaterprojekt sorgt dafür, dass alle ein gemeinsames Ziel und einen Fixpunkt während der Woche haben. Dadurch erleichtert sich auch die Organisation des Lebens außerhalb der Bühne. Zudem werden bei den regelmäßigen Proben Kontakte geknüpft und es wird viel diskutiert – zum Beispiel darüber, ob bei »Biedermann und die Brandstifter« echtes Feuer auf der Bühne sein muss oder nicht. Muss nicht, findet Schwester Bertholda. Muss auf jeden Fall, findet der Rest. Schon ist eine Diskussion im Gang: über den Nationalsozialismus, die heutige Gesellschaft, über Symbole und Werte – und endlich einmal nicht mehr nur über die Arbeitslosigkeit. Denn wer man außerhalb der Theatergruppe ist, spielt auf der Bühne keine Rolle.

Schwester Bertholda kennt ihr Handwerk: Sie hat 37 Jahre lang als Lehrerin gearbeitet und immer Theatergruppen geleitet. In diesem Projekt gehen für sie Theater und Therapie Hand in Hand: »Theaterspielen ist wie eine Mutprobe. Wenn man es einmal gemacht hat, fühlt man sich viel stärker und traut sich auch andere Sachen zu.«

Die erste Aufführung der Gruppe war »Die kleinen Verwandten« von Ludwig Thoma. Für den Biedermann sucht die Truppe noch schauspielerische Talente: Die Proben finden jeden Donnerstag von 18 bis 20 Uhr im Pfarrsaal von St. Joseph statt. Eingeladen ist jeder, der Spaß am Spielen hat. Christine Auerbach

Artikel vom 05.06.2007
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