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Bezirksausschuss Altstadt-Lehel macht die Gastronomie zur Wissenschaft
Altstadt-Lehel · Freischank-Philosophen
Sind Freischank-Flächen Wildwuchs oder dienen sie der Lebensqualität? Das ist im BA 1 die Frage! Foto: maho
Altstadt-Lehel · »Handle so, dass das größtmögliche Maß an Glück entsteht.« So lautet die Kernidee des Utilitarismus; der Kantianismus hingegen legt größeren Wert auf die Befolgung allgemeingültiger Prinzipien. Doch keine Sorge – in der Regel braucht es kein solches Wissen, um den Abläufen in Münchner Bezirksausschüssen folgen zu können.
Vergangene Woche allerdings driftete im Bezirksausschuss Altstadt-Lehel (BA 1) eine Diskussion über das Für und Wider einer neuen Freischankflächen-Verordnung tief ins Philosophische ab. Ausgangspunkt der Debatte war die Anfrage eines Bürgers, der wissen wollte, warum die Freischankfläche einer kleinen Bäckerei in der Nähe des Isartors verschwunden sei. Grund hierfür ist eine neue Richtlinie der Lokalbaukommission (LBK) – antworteten die BA-Mitglieder.
Dieser Neuregelung zufolge werden der so genannten »erlaubnisfreien Gastronomie« keine Freischankflächen mehr genehmigt. »Erlebnisfreie Gastronomie« seien Betriebe ohne Gaststättenkonzession, denen vor Jahren im Zuge einer EU-Maßnahme erlaubt wurde, Speisen und nicht-alkoholische Getränke »zum Verzehr an Ort und Stelle« zu verkaufen. Davon profitierten vor allem Bäckereien und Metzgereien. Die Praxis, diesen Betrieben ferner zu gestatten, ihre Gäste unter freiem Himmel zu bewirten, führte nach Ansicht der LBK allerdings zu einem Wildwuchs, den man mit genannter Neuregelung eindämmen will. Diese Neuregelung jedoch ist Teilen des Bezirksausschusses zu rigide: »Ich bin gar nicht glücklich damit«, erklärte etwa Stefan Blum (CSU).
Er bedauert, dass man sich jetzt nicht mehr den Einzelfall ansehen könne, »sondern es nur noch Schema F gibt und man sich hinter bürokratischen Vorschriften verschanzt«. Ähnlich äußerte sich Norbert Weigler von den Grünen, der im Wegfall der Freischankflächen eine »Verarmung unseres Stadtbildes« sieht.
Seine Parteifreundin Angela Horbach-Wilson hingegen begrüßte »unabhängig davon, wie schade es im Einzelfall sein mag«, die klare Linie der LBK: »Laut Kreisverwaltungsreferat muss es eine Gleichheit der Kriterien geben – außerdem ist es für die Geschäfte auch von Vorteil, wenn sie Planungssicherheit haben.« Blum fand jedoch, dass der BA als politisches Gremium der Verwaltung nicht nach dem Mund reden müsse. Thomas Lange (SPD) erwiderte: »Bloß, weil wir ein politisches Gremium sind, gehört es nicht zu unseren Aufgaben, die Gleichheit vor dem Gesetz auszuhebeln.« Genau diese Haltung allerdings empfand Weigler als »kantianische Prinzipienreiterei« und plädierte für eine »utilitaristischere Lösung«, sprich dafür, auch mal eine Ausnahme zu machen. »Ob Sie auch noch so reden, wenn Sie vor Gericht mal ungleich behandelt werden?« konterte Lange gewohnt scharfzüngig.
BA-Chef Wolfgang Püschel (SPD) beendete die Diskussion, als sie sich schließlich im Kreis drehte. Auf einen gemeinsamen Nenner kam man nicht. Man einigte sich nur darauf, dem Betreiber der Bäckerei vorzuschlagen, die nötigen Baumaßnahmen zu veranlassen, damit sie eine »echte« Gaststätte werden könne. Auf diesem Umweg könnte sie die Freischankfläche zurückbekommen – sofern sie das überhaupt will. Martin Hoffmann
Artikel vom 22.05.2007Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp
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