Die Fans des TSV 1860 planen eine Herzblut-Aktion

X-tausend Löwen brüllen für ihr Stadion

Ein Meer aus weißblauen Schals, das Lied „Stark wie noch nie“ aus unzähligen Kehlen, frenetischer Jubel im Rund des Stadions in der Grünwalder Straße – und all das wegen eines Spiels der U23 gegen den SV Wehen?

Zugegeben: einen Hintergedanken verfolgen die Fans schon, wenn sie am 18. Mai zigtausendfach ihre Amateure anfeuern: An diesem Freitagabend wird die „Aktion X-tausend“ steigen, bei der Anhänger der Münchner Löwen demonstrieren, wie sehr ihnen der Erhalt des Sechzger-Stadions am Herzen liegt. Mit dabei sein wird Jean-Marie Leone. Bis vor kurzem „ein ganz normaler Fan in der Kurve“. Weil ihm aber „schmerzlich bewusst wurde, wie sehr die zehn Jahre Olympiastadion der Fankultur geschadet haben“, beschloss der 34-jährige Versicherungskaufmann, sich künftig stärker für „seinen“ Verein zu engagieren. Kurzerhand trat er im vorigen Jahr den Fan-Vereinigungen „Pro1860“ und den „Freunden des Sechzger-Stadions“ bei – außerdem kam ihm neulich „in einer Bierlaune, aber ohne Alkohol“ eine große Idee: Zigtausend Löwenfans wolle er zusammentrommeln, um „bei einer Atmosphäre wie früher ein Spiel in Giesing zu erleben“. „Ich hab diese Idee im Internet ins Löwenforum geschrieben und gedacht, in drei Tagen würde sie im Nirwana des www verschwinden.“ Aber nichts da: immer mehr Löwenfans waren begeistert von Leones „Aktion X-tausend“, die letztlich immer konkreter wurde: Inzwischen hat der Puchheimer für das Spiel am 18. Mai, an dem die Aktion stattfinden soll, 1.700 Karten in Eigenregie verkauft – und das, ohne die Werbetrommel zu rühren. Zum Vergleich: bei anderen Spielen der U23 schauen rund 500 Fans zu. Und da in Kürze zusätzlich zigtausend Handzettel Leones Aktion öffentlich machen sollen, erhofft er sich, dass zu guter Letzt 5.000 Fans die Löwen-Amateure anfeuern werden – „und dabei ein Zeichen für den Erhalt des Stadions setzen“. Noch vier Jahre, und das Stadion an der Grünwalder Straße könnte anlässlich seines 100. Geburtstags ein rauschendes Fest feiern: im Jahre 1911 fanden dort, an der Grünwalder Straße, erstmals Sportveranstaltungen statt; im Februar 1912 gab es ein erstes Lokalderby – die Löwen hatten die Bayern mit 1:0 geschlagen. 2011 könnte andererseits das erste Jahr sein, in dem Giesing ohne Stadion auskommen muss: der Stadtrat hatte im vorigen Jahr beschlossen, dass die Amateur- und Juniorenmannschaften des TSV 1860 und des FC Bayern bis 2010 in Giesing bleiben können – dass das Stadion anschließend jedoch abgerissen wird: „Für die – übrigens äußerst wertvolle – Fläche ist künftig eine andere Nutzung vorgesehen“, bestätigt Birgit Gessner vom Planungsreferat. „Wie diese genau aussieht, ist noch unklar: Es ist noch kein Investor in Sicht.“ Denkbar allerdings sei der Bau von Bürokomplexen, von Hotels, einem Kongress- oder Einkaufszentrum auf Giesings Höhen. Für Roman Beer, den 1. Vorsitzenden der „Freunde des Sechzger-Stadions“, sind solche Pläne inakzeptabel: „Das Sechzger-Stadion ist eine der meist genutzten Arenen Deutschlands: Hier finden 100 Sportveranstaltungen im Jahr statt, hier spielen vier Mannschaften“, sagt er. „Wo sollen die alle hin, wenn die Abrissbirne geschwungen wird?“ Aber soweit will Beer nicht denken, denn er glaubt an die Kraft der Öffentlichkeit: „Wenn der Stadtrat sieht, dass am 18. Mai zigtausend Fans allein aus Liebe zum Stadion zum U23-Spiel kommen, dann erkennt er hoffentlich, dass er seinen Beschluss korrigieren muss.“ Überhaupt würden die Kommunalpolitiker spätestens im Vorfeld zur Bürgermeisterwahl im kommenden Jahr wieder mehr auf die Bedürfnisse der Bevölkerung hören, wie Beer überzeugt ist: „So ein Stadtratsbeschluss kann ganz schnell wieder gekippt werden.“ Zudem hofft der „Freund des Sechzger-Stadions“ auf das neue Präsidium des Vereins: „Die Herren scheinen sich deutlich engagierter für den Erhalt des Stadiums einzusetzen als ihre Vorgänger.“ Dass der Stadtrat seinen Beschluss auf keinen Fall zurücknehmen wird, glaubt hingegen Edith Rubenbauer vom städtischen Sportamt. „Es gab genügend Gründe für den Abriss. Die haben sich nicht geändert.“ Andererseits: wo die Amateur- und Juniorenmannschaften von Sechzig und Bayern nach dem Abriss spielen sollen, steht in den Sternen. „Es wäre doch wohl peinlich, wenn diese Mannschaften außerhalb Münchens unterkommen müssten“, findet Beer. So oder so: Am 22. Mai 2005 endete jedenfalls eine Ära in Giesing. Ein letztes Mal fand hier ein Bundesligaspiel statt – gegen Ahlen. Der TSV 1860 war bis zu jenem Tag auf Giesings Höhen zu Hause – und auch die Bayern hatten bis 1972 auf dem Platz an der Grünwalder Straße gespielt. „Natürlich ist es kurzfristig gesehen kein realistisches Ziel, den Profifußball nach Giesing zurück zu holen“, räumt „Aktion X-tausend“-Initiator Leone ein. „Daher ist unser Schritt 1 jetzt der Erhalt des Stadions. Wenn dieses aber eines Tages modernisiert werden könnte, spricht wenig dagegen, die Löwen eines Tages aus der Arena zurückzuholen.“ Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 22.05.2007
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...