Der EHC erhält keine Lizenz für die neue Saison. 380.000 Euro Defizit. Der Verein steht vor der Auflösung. Cortina geht.

Auf dem Sterbebett

Das Eis wird dünn: EHC-Sprecher Carsten Zehm (links) und Jürgen Bochanski suchen nach dem rettenden Stohhalm für ihren Verein. Foto: dakoe

Das Eis wird dünn: EHC-Sprecher Carsten Zehm (links) und Jürgen Bochanski suchen nach dem rettenden Stohhalm für ihren Verein. Foto: dakoe

Es war wie aus dem Drehbuch eines schlechten Dramas. Eigentlich wollte der Verein diesen Freitag die Vertragsverlängerung des Trainers und einiger neuer Spieler bekannt geben. Und jetzt das. Torhüter Joey Vollmer sitzt zusammengekauert auf einem Sessel des King’s Hotels. Währenddessen drückt Teammanager Christian Winkler jeden Anruf weg.

Von Daniel Köhler

Clubpräsident Jürgen Bochanski begrüßt die anwesenden Journalisten. Er hat rote Augen, aber das haben die anderen auch. „Das ist ja wie auf einer Beerdigung, hier“, brummt Joey Vollmer. „Soweit ist es noch nicht“, entgegnet ihm Christian Winkler. „Wir sind erst am Sterbebett angekommen.“

Es war eine bedrückende Stimmung, eine Mischung aus Wut, Verzweiflung und Unverständnis, die am Mittwoch, 25. April, im Tagungssaal des King’s Hotel herrschte. Der Anlass: nicht weniger als die Zukunft des einzigen professionellen Eishockeyclubs in München. Was war passiert? Anfang dieser Woche flatterten dem EHC sechs Sponsorenabsagen ins Haus. „Die meisten irgendwie nachvollziehbar, viele erwartet, aber alle sehr schmerzhaft“, erklärt Bochanski zerknirscht. Wähnte sich der Verein nach langem Hin und Her mit dem Hauptsponsor Gothaer Versicherungen endlich im sicheren Fahrwasser, klafft nun wieder die alte Lücke von 380.000 Euro im Budget. „So bekommen wir keine Lizenz für die nächste Saison und so wollen wir auch nicht in die Saison starten“, so Bochanski.

Man habe in den letzten Tagen jede geldversprechende Telefonnummer in München angerufen, herausgekommen ist trotzdem nichts. „Die Stadt München an sich hat scheinbar kein Interesse am EHC“, bilanziert Bochanski ernüchtert. Das bedeutet: Finden sich in den nächsten 14 Tagen nicht genug Geldgeber für den EHC, wird die Spielbetriebs-GmbH abgewickelt und aufgelöst. Die Mannschaft, wie man sie kennt, wird es nicht mehr geben, nur der e. V. des EHC würde weitermachen. Pleite, das betonen alle Anwesenden, ist der Verein nicht. Die vergangene Saison ist abgeschlossen, alle Forderungen beglichen.

Es geht lediglich um die Saison 2007/2008. Lediglich. „Wenn wir das in einer anderen Stadt erzählen, dass ein sportlich erfolgreicher Eishockeyverein im Jahr nach den Playoffhalbfinals wegen zu geringer Sponsorenleistungen dicht macht, dann lachen die uns doch aus“, sagt Christian Winkler und schüttelt den Kopf. „Wahnsinn“, „Unvorstellbar“, „Traurig“, „Unmöglich“ waren die meist genutzten Wörter dieser traurigen Pressekonferenz.

Joey Vollmer sackt bei jedem finanziellen Detail noch mehr in sich zusammen, am liebsten hätte man ihn in den Arm genommen und getröstet. „Mir blutet das Herz“, presst er hervor. „Ich wollte hier noch lange weiterspielen und will eigentlich auch nirgendwo anders spielen.“ Noch wolle er abwarten, ob sich nicht doch noch ein Wunder ereignet, doch Manager Winkler legte ihm, wie auch anderen Spielern nahe, sich zumindest umzuhören. „Rette sich, wer sich retten kann“, so die Devise Winklers, der allen Spielern die Nachricht persönlich überbrachte. „Wir müssen und wollen mit offenen Karten spielen. Schließlich haben wir auch Familienväter in unseren Reihen, denen gegenüber wir verantwortlich sind.“ Man müsse damit rechnen, dass einige Spieler den Verein verlassen werden. „Niemand kann ihnen einen Vorwurf machen.“

Das Gleiche gilt für Trainer Pat Cortina. Der blieb der Pressekonferenz fern und packte im Eisstadion seine Habseligkeiten zusammen. „Ich werde nicht zurückkommen, obwohl ich hier sehr viel Spaß und eine gute Zeit hatte. Ich hoffe sehr, dass der Verein überlebt. Es wäre schade um die gute Arbeit, die hier geleistet wird“. Er selbst will sich jetzt eine Auszeit nehmen und dann weitere Entscheidungen treffen.

Währenddessen suchen die Verantwortlichen nach dem letzten Strohhalm. „Wir haben noch zwei Wochen Zeit und jeder von uns hat mindestens noch zwei Nummern, die er anrufen wird“, gibt sich Bochanski kämpferisch. Danach herrscht Stille im Saal. Wie an einem Totenbett.

Artikel vom 24.04.2007
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