Trotz Studiengebühren droht der Studentenbibliothek das Aus

München - Schock im „Schweinchenbau“

Eine der wichtigsten Bibliotheken für die rund 100.000 Münchner Studenten: Die „StuBi“ an der Leopoldstraße. Weil das Geld fehlt, muss sie vielleicht dicht machen. Foto: gw

Eine der wichtigsten Bibliotheken für die rund 100.000 Münchner Studenten: Die „StuBi“ an der Leopoldstraße. Weil das Geld fehlt, muss sie vielleicht dicht machen. Foto: gw

Gemessen in Kilogramm hat’s ein Student sehr schwer. Je nach Studiengang muss er bis zu seinem Abschluss mehrere hundert Bücher wuchten und natürlich auch lesen – sie alle zu kaufen wäre unbezahlbar. Der Münchner Student hat’s aber leichter. Ob er Einsteins Relativitätstheorie verstehen will, über Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten forscht oder eine Arbeit in Kriminologie schreiben muss – für alles gibt es Spezialbibliotheken.

Mehr als 200 davon listet die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in ihrer Übersicht auf, Studierende können sie zumeist kostenlos nutzen. Die bei vielen Münchner Studenten beliebteste „Bib“ steht aber vor dem Aus: die Studentenbibliothek des Studentenwerks.

So jedenfalls muss der Hilferuf verstanden werden, den vor wenigen Tagen schätzungsweise 16.000 Studenten in ihren Mailpostfächern fanden. Die Bibliotheksleiterin Susanne Bohn schreibt darin: „Fakt ist, dass das Studentenwerk München, bisheriger Träger der Studentenbibliothek, sich nicht mehr in der Lage sieht, diese Einrichtung weiterzuführen.“ An anderer Stelle heißt es, diese Entwicklung würde „in letzter Konsequenz die Schließung der Bibliothek bedeuten“.

Münchner Studenten sind alarmiert. Denn bei der Studentenbibliothek im sogenannten „Schweinchenbau“ in der Leopoldstraße 15 handelt es sich um eine ganz besondere Einrichtung. Anders als bei vielen anderen ist die „StuBi“ eine echte Leihbibliothek. Bücher können also nicht nur vor Ort gelesen, sondern für vier Wochen mit nach Hause genommen werden. Genügt die Zeit nicht, kann zweimal bequem per Internet verlängert werden – so können Studenten aus wichtigen Büchern fast ein ganzes Semester lang büffeln.

Ramona Walk nutzt dieses Angebot gern und häufig. „Medizinische Fachbücher sind schweineteuer“, sagt die Studentin der Humanmedizin, „das könnte ich gar nicht bezahlen!“. Natürlich gibt es die Literatur auch in der Fachbibliothek ihres Institutes, aber nur hier in der StuBi findet sie wichtige Standardwerke gleich dutzendfach. „Außerdem haben die hier auch ganz aktuelle Bücher von 2006 – in unserer Institutsbibliothek gibt’s die noch gar nicht!“ Die Ausstattung der Studentenbibliothek loben viele, auch die angehende Wirtschaftspädagogin Kerstin Bauer. „Wichtige Bücher finde ich meist hier, selbst die zentrale Unibibliothek hat davon nicht so viele.“ Für die Physikstudentin Svenja Lippok war die StuBi schon oft die letzte Rettung, weil sie hier noch Lehrbücher finden konnte, die woanders längst vergriffen waren. „Inzwischen suche ich hier immer zuerst“, sagt sie. Auch ihr Mitstudent Felix Bernauer schwört auf die Studentenbibliothek. „Alle Bücher, die ich brauche, finde ich hier“. Und das mitten in der Stadt, „gleich neben der Mensa – das ist ideal“, findet der angehende Jurist Charles De Marenches.

Ein echtes Juwel im Studentenleben also. Aber wie lange noch? Das Studentenwerk, das neben Wohnheimen auch die StuBi betreibt, ist klamm. „Wir können uns die Bibliothek auf Dauer nicht mehr leisten“, sagt Armin Rosch, Geschäftsführer des Studentenwerkes. Von einer Schließung will er nichts wissen, er verhandelt derzeit mit der LMU eine Übernahme der Studentenbibliothek durch die zentrale Universitätsbibliothek. „Wir sind in Verhandlungen“, bestätigt auch Luise Dirscherl, Pressesprecherin der Uni. Details könne sie aber nicht bekannt geben, weil noch nichts definitiv vereinbart sei.

Knackpunkt sind die Kosten. Bisher kostet die StuBi rund eine Million Euro im Jahr, doch dies kann oder will die LMU offenbar nicht zahlen – obwohl ab dem Sommersemester pro Student 300 Euro Studiengebühren fällig werden. Das spült pro Semester schätzungsweise 12 Millionen Euro in die Universitätskasse. „Davon kommt das Meiste den einzelnen Fakultäten zugute“, erläutert Dirscherl, „für die Unibibliothek stehen uns voraussichtlich eine Million Euro zur Verfügung“. Dieses Geld ist aber schon weitgehend verplant. So wurde bereits ein alter Studentenwunsch erfüllt und die Öffnungszeiten der Uni-eigenen Zentralbibliothek bis Mitternacht ausgedehnt.

Während das Studentenwerk optimistisch ist, schon in wenigen Wochen eine Lösung zu finden (siehe Interview), übt sich die Uni in Zurückhaltung. Sollte eine Einigung platzen, wäre das für viele Münchner Studenten „eine Katastrophe“, oder, wie es Physikstudent Bernauer klar ausdrückt, „richtig Scheiße!“ Denn so lang die Uni-Bibliotheken nicht mit dem Angebot der StuBi mithalten können, bräuchten viele Studenten künftig noch mehr Geld: Für die Studiengebühren, für teure Lehrbücher und für eine Sackkarre, um alles nach Hause zu bringen. Von Gecko Wagner

Artikel vom 22.02.2007
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